Die Forscher vermuten, dass Quallen keine unabhängige Neuentwicklung waren, sondern in ihrer Evolution vor allem auf Gene zurückgriffen, die man auch bei anderen Tieren findet.

Foto: Hanna Kraus

Wien – Als vor vielen Millionen Jahren die ersten Quallen in Erscheinung traten, wiesen sie kaum neu entwickelte Gene auf. Obwohl sie sich von anderen Tieren mitunter stark unterscheiden, fand ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Wien in einer neuen Studie vor allem Gene, die man etwa auch beim Menschen findet. Die Ergebnisse sind im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" erschienen.

Die Nesseltiere (Cnidaria), zu denen Quallen zählen, haben sich als eine der ersten tierischen Linien vor rund 700 Millionen Jahren entwickelt. Unter der Leitung von Richard Copley vom CNRS Villefranche ging das Team an die Entschlüsselung des Genoms der weit verbreiteten, nur wenige Zentimeter großen Qualle Clytia hemisphaerica. Dabei wollten die Wissenschafter herausfinden, welche Gene dafür verantwortlich sind, dass sich die Tiere im Laufe ihres Lebens vom ungeschlechtlichen, fix an einem Ort lebenden Polyp, zu jener frei im Wasser schwebenden Form entwickeln, die landläufig unter Qualle (Meduse) verstanden wird.

Alte Gene, neue Kombinationen

Dahinter steht die Frage, ob es sich bei der reproduktiv aktiven Qualle um eine "unabhängige Neuerfindung innerhalb einer Gruppe von Nesseltieren" handelt, oder ob die Fähigkeit zu dieser Umwandlung bei anderen Cnidaria-Vertretern, etwa Korallen und Seeanemonen verloren ging. "Überraschenderweise fanden wir kein quallenspezifisches Genrepertoire, sondern eine Kombination von neuen und alten, das heißt konservierten Genen, die die Quallenbildung kontrolliert", sagte Ulrich Technau von der Universität Wien, Koautor der Studie.

Umgekehrt fanden die Forscher Hinweise darauf, dass andere Arten bestimmte genetische Faktoren verloren haben, die es zur Bildung der Medusen braucht. Den Quallen wiederum kamen jene Teile des Erbgutes abhanden, die den Seeanemonen eine zweite Körperachse verleihen.

Die Wissenschafter nehmen daher an, dass es bei der Evolution der Qualle kaum echte Erbgut-Neuentwicklungen gab, sondern vor allem auf bereits vorhandene Gene zurückgegriffen wurde. Dass den Tieren ihre zweite Körperachse abhanden kam, sie also im Lauf der Zeit eine einfachere Form entwickelten, sei somit ein Hinweis darauf, dass die Evolution nicht immer in Richtung höhere Komplexität zustrebe, so Technau. (red, APA, 12.3.2019)