"Bei manchen Kollegen hat es mich sehr gewundert, dass sie gehen müssen": Christiane von Poelnitz.

Foto: Reinhard Maximilian Werner

Dem Burgtheater steht mit dem Direktionswechsel ab Herbst ein tiefgreifender Personalumbau bevor, auch im Ensemble. Schauspieler wie Fabian Krüger, Stefanie Dvorak oder Petra Morzé verlassen das Haus. Zu denen, die Baba sagen, gehört auch Christiane von Poelnitz. Nach 15 Jahren verlässt sie Wien und macht damit einen begehrten Protagonistinnenplatz frei.

STANDARD: Der designierte Direktor Martin Kušej hat Ihren Vertrag nicht verlängert. Wo werden Sie ab September spielen?

Von Poelnitz: Ich bin ab August am Thalia-Theater in Hamburg, worauf ich mich sehr, sehr freue. Das war schon lange ein Wunschtheater von mir.

STANDARD: Eine Rückkehr? Sie waren ja vor Ihrer Burgtheater-Zeit im Schauspielhaus Hamburg.

Von Poelnitz: Hamburg ist immer eine Art Heimat für mich gewesen. Vieler Menschen wegen, Hamburg ist irgendwie meine Wiese. Der Hanseate rempelt einen nicht, zum Beispiel. Eine sehr angenehme menschliche Eigenschaft!

STANDARD: Also wieder ein Ensembletheater. Sie sind eine echte Ensemblespielerin?

Von Poelnitz: Genau. Ich habe auch auf alle Klauseln fürs Gastieren in den Verträgen verzichtet, weil ich mich eng an ein Haus binden möchte. Das entspricht meiner Arbeitseinstellung.

STANDARD: Fluktuation muss aber sein?

Von Poelnitz: Unbedingt. Das ist wichtig. Meiner Meinung nach hat es am Burgtheater in den letzten Jahren fast zu wenig Fluktuation gegeben. Und jetzt kommt es einem massiv vor. Entscheidend ist halt immer die Art und Weise, wie es gemacht wird. Da scheiden sich manchmal die Geister. Es ist einfach ein komischer Vorgang, wenn jemand, den man noch nie gesehen hat, vor einem steht und einen dann verabschiedet.

STANDARD: Man hört, dass die Gespräche mit Martin Kušej bei manchen nicht besonders wertschätzend verlaufen seien. Wie war das bei Ihnen?

Von Poelnitz: Ich denke, es ist nie angenehm, solche Gespräche zu führen. Es unterscheidet sich aber, wie man es macht. Es ist vorbei und spielt keine Rolle mehr. Ich übe meinen Beruf seit 23 Jahren aus, und im Verlauf so einer Zeit begegnet man Theatermenschen und manchen eben nicht, und das ist normal und okay. Martin Kušej und ich haben vermutlich Schnittmenge null.

STANDARD: Es kursieren verschiedene Zahlen, die darauf hindeuten, dass der bevorstehende Personalumbau einer der größten der letzten Jahrzehnte sein wird. Sind große Änderungen bei einem Haus dieser Größe aus Ihrer Sicht ratsam?

Von Poelnitz: Ich bin keine Intendantin, aber Kušej wird schon wissen, was er tut. Es geht auch nicht unbedingt nur um Schauspieler. Es gibt Menschen im Hintergrund, die diesen riesigen Betrieb am Laufen halten und ihn sehr gut kennen. Bei manchen dieser Mitarbeiter hat es mich tatsächlich sehr gewundert, dass sie gehen müssen.

STANDARD: Werden Sie nächste Spielzeit noch zu sehen sein, falls Kušej Produktionen übernimmt?

Von Poelnitz: Nein. Bisher sind mir auch keine Übernahmen bekannt. Sollte es welche geben, dann würde ich bevorzugen, sie nicht zu spielen. Das habe ich bisher immer so gehalten. Ich bin ab August dem Thalia-Theater verbunden.

STANDARD: Sie werden am Ende 15 Jahre am Haus engagiert gewesen sein. Wie hat sich das Burgtheater in dieser Zeit entwickelt?

Von Poelnitz: Mit dem Finanzskandal gab es sicher einen Bruch, der das Haus erschüttert hat bis hinein in persönliche Beziehungen. Viele haben sich auch zurückgezogen, weil es so viele Gerüchte gab, und es wird ja immer nur dummes Zeug geredet.

STANDARD: Im Zuge von MeToo wurde vor allem an Theatern viel über Machtmissbrauch diskutiert. Was hat sich da an der Burg getan?

Von Poelnitz: Also ich habe da schlicht und ergreifend keine Ahnung. Die Gleichstellungsbeauftragten gab es ja schon ewig vorher. Ich habe dazu meine Haltung, und die ist, dass ich jedem immer klar meine Meinung direkt sage.

STANDARD: Arbeitet Kušej schon vor Ort?

Von Poelnitz: Ich habe deutlich mitbekommen, dass er im Haus ist, wenn er im Haus ist.

STANDARD: Sie proben gerade an Ihrer letzten Wiener Arbeit, der Uraufführung "In Ewigkeit Ameisen ..." von Wolfram Lotz, Regie Jan Bosse – einer Arbeit, in der die Sprechrollen großen Interpretationsfreiraum haben, Frauen spielen Männer, aber auch Tiere. Das erinnert an den "Goldenen Drachen" von Roland Schimmelpfennig am Akademietheater 2011.

Von Poelnitz: Ja, ich muss auch daran denken, allein schon wegen der Tierfiguren. Aber letztlich sind die Stücke doch anders, denn Lotz ist natürlich viel lustiger. Es sind unheimlich schräge Texte, die übrigens sauschwer zu lernen sind. Da geht es um zwei Engel, die ein Dorf auslöschen wollen, aber leider ist eh keiner da. Und ein Professor im Rollstuhl will, während Weltuntergang ist, Ameisen erforschen, mit einem Assistenten, der dauernd seine Frau anrufen will. Mehr braucht man nicht!

STANDARD: Man sagt, es gibt zwei Fehler, die man als Schauspieler machen kann. Erstens ans Burgtheater gehen und zweitens vom Burgtheater weggehen.

Von Poelnitz: Bestens, dann habe ich beide Fehler schon hinter mir!

STANDARD: Was werden Sie an Wien vermissen?

Von Poelnitz: Das tolle Publikum. Ich werde vermissen, dass mir die Menschen auf der Straße entgegenkommen und mir dafür danken, dass ich so schön spielen und sprechen kann. Und das Wiener Leitungswasser wird mir fehlen. (Margarete Affenzeller, 11.3.2019)