Prunkbau am Ring: die Wiener Staatsoper.

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Bei der Renovierung der Staatsoper wurde vor allem an der Decke der Loggia Perlglanz statt Blattgold verwendet. Das empört Kunsthistoriker und Vergolder.

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Die restaurierten Prunkräumlichkeiten der Staatsoper.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Pausenglocken läuten. Kulturbegeisterte drängen in die Staatsoper und verteilen sich die Stiegen hinauf, in den Garderoben und der Loggia. Leise Musik klingt aus dem Hintergrund. Bis noch vor wenigen Monaten standen im Schwindfoyer, in der Loggia sowie in weiteren Salons noch Gerüste; wurden Wände und Decken saniert. Nicht nur diese strahlen nun wieder. "Doch nur zum Schein", sagt Johanna M., eine Kunsthistorikerin (Namen der Redaktion bekannt). Sie lässt sich vom Gewirr der Menschen nicht irritieren. Ihre Blicke mustern die neu sanierten Bereiche. "Das hat aber mit Sanierung nichts zu tun", urteilt sie knapp und pointiert.

Die Staatsoper ist ein Nationalheiligtum in Österreich und genießt über die Grenzen hinweg ein hohes künstlerisches Ansehen. Sie spielt in der Liga der besten Opernhäuser der Welt. Im Mai feiert das erste Haus am Ring seinen 150. Geburtstag. Teile wie das Vestibül, die Loggia, das Schwindfoyer und die beiden Salons wurden daher in den vergangenen Jahren umfassend saniert. Über 1,4 Mio. Euro kosteten die Sanierungsarbeiten – diese erfolgten in zwei Etappen. Auftraggeber war jeweils die Bundestheater-Holding.

"Goldene Schuhpasta"

Johanna M. schüttelt den Kopf und zeigt auf den Stuck an der Decke. "Sehen Sie selbst: Statt Gold wurde hier Perlglanz, eine mit Plastik gebundene Goldfarbe, verarbeitet und aufgetragen." Diese sowie auch die schlampigen Ausführungen seien gut erkennbar, erklärt die Expertin. Im Vestibül seien bis zu 90 Prozent der historischen Goldoberflächen mit einer "goldenen Schuhpasta", branchenintern als Vergolderwachs bezeichnet, überschmiert. Das kostete wesentlich weniger, entspreche aber keineswegs mehr dem Original aus der Errichtungszeit.

Der Besucher werde damit getäuscht, findet die Kunsthistorikerin: "Unrichtig eingesetzte Materialien haben das Aussehen der sanierten Teile gegenüber früher stark verändert." Die "Seele des Hauses" sei mit den Sanierungen verlorengegangen, die Oberflächen gäben heute ein verfälschtes Erscheinungsbild wider. Es sehe jetzt für sie fast so aus wie ein Gebäude im Zuckerbäckerstil der 1950er-Jahre, das in Warschau oder Moskau stehen könnte.

"Positivste Rückmeldungen"

Die Bundestheater-Holding ist anderer Meinung. Verschiedene Vergoldungen (Blattgold und Schlagmetall) seien hier durchgeführt worden, und lediglich bei "partiellen Retuschen" sei Vergolderwachs verwendet worden. "Profilleisten, die noch eine entstehungszeitliche Blattvergoldung aufwiesen, wurden auch mit Blattgold ausgebessert. Jene Bereiche mit Schlagmetallausbesserungen aus vergangenen Restaurierungskampagnen haben überwogen", heißt es. Walter Renner von der Gebäudeverwaltung der Bundestheater-Holding ist davon überzeugt, dass alles perfekt sei. "Die beauftragte Firmen haben überall gute Arbeit geleistet."

Staatsoperndirektor Dominique Meyer: "Ich habe große Freude mit dem Ergebnis, alles leuchtet und glänzt." Stammbesucher, die die Räume im nicht-restaurierten Zustand kannten, freuten sich darüber sehr. Er habe von ihnen bisher ausschließlich "positivste Rückmeldungen" erhalten. Dass schlampig gearbeitet wurde, weist er entschieden zurück. "Das höre ich zum ersten Mal", so Dominique Meyer.

Ohne Netzwerk – kein Auftrag

Über 50 Vergolder gibt es heute in Österreich. Die Auftragslage sei nicht besonders gut, erklärt Ferdinand Fladischer, früherer stellvertretender Bundesberufsgruppensprecher der Vergolder und Staffierer. Viele kämpfen heute um jeden Auftrag, weiß auch Vergolder Hartmut K., der ebenfalls seinen Namen nicht nennen möchte. Zu groß sei die Angst vor Repressionen. Kein einziger arbeitete jedoch in der Staatsoper. Die Auftragnehmer waren seines Wissens nur Restauratoren. Diese hätten bestimmte Handwerksleistungen nicht anbieten und machen dürfen.

Hartmut K.: "Manche Betriebe zahlen zu wenig Sozialabgaben, da sie Studierende oder Praktikanten als Freelancer beschäftigen." Stundenlöhne um die zehn Euro ohne Versicherung seien keine Seltenheit und brächten die gesamte Branche unter Druck. Viele seien außerdem Scheinselbstständige, erzählt er. Eine Vergolder-Handwerksstunde kostet den Betrieb aber mindestens 30 Euro. Er fordert strengere Kontrollen von Finanzamt und Gebietskrankenkasse auch auf den Kulturbaustellen. Seiner Meinung nach besteht ein Netzwerk aus Bundesdenkmalamt (BDA), Kunstuniversitäten und akademischen Restauratoren zulasten des Handwerks.

"Billigst-statt Bestbieter"

Die Gesamtkosten hätten mindestens das Doppelte ausmachen müssen, um alles hier dem historischen Vorbild entsprechend sanieren zu können, findet die Kunsthistorikerin Johanna M. Sie argwöhnt, dass bei der Ausschreibung nicht der Best-, sondern der Billigstbieter zum Zug kam. Das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Verfahren würde regeln, so Johanna M., dass nicht der billigste Preis, sondern die Qualität entscheidend sei; auch die arbeits- und sozialrechtlichen Gesetze müssen demnach vom Auftragnehmer eingehalten werden.

Auf diese Vorwürfe wollte die Bundestheater-Holding auf Nachfrage nicht im Detail eingehen, verwies aber darauf, dass die Ausschreibungen auf Grundlage des Bundesvergabegesetzes in Abstimmung mit dem BDA durchgeführt wurden. "Faktum ist", sagt der Staatsoperndirektor gegenüber dem Standard, "dass die Ausschreibungen vollkommen transparent abgewickelt wurden und dass die Experten, etwa vom Bundesdenkmalamt, sämtliche Restaurierungsarbeiten für tadellos sowie für auftrags- und sachgemäß erklärt haben."

"Denkmalfachlich" korrekt

"Die Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten wurden durch umfangreiche konservatorische Untersuchungen durch qualifizierte Restauratoren in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt fachlich vorbereitet", bestätigt das BDA. Die verschiedenen Phasen der Entstehung, mehrere Instandsetzungen, der Zerstörung und des Wiederaufbaus hätten dabei berücksichtigt werden müssen. "Die Wiedergewinnung eines Neuwerts der Oberflächen war und ist methodisch nicht zu rechtfertigen."

Aus Sicht der Baudenkmalpflege verfolgte das BDA das Ziel, den Alterswert des Gebäudes zu respektieren. Auch wurden die Arbeiten laut Behörde "denkmalfachlich" korrekt durchgeführt. "Die Bauleitung von Art for Art sowie die Bundestheater-Holding als Eigentümerin waren fast täglich vor Ort, und das BDA überzeugte sich wöchentlich über die Restaurierungsarbeiten auf Basis der ausgeschriebenen Leistungen", betont die Bundestheater-Holding.

Gold hält am längsten

"Bei Sanierungen werden immer wieder neuzeitliche Materialien genommen", sagt Ferdinand Fladischer. Die Materialtechnologie entwickle sich zwar weiter. Doch die Langzeiterfahrung damit fehle. "Gold ist einfach durch nichts ersetzbar." Sanierungen im Innenbereich sollten mehr als hundert Jahre halten, wenn sie fachlich richtig ausgeführt sind, erklärt Hartmut K. Bei "neueren Methoden" hingegen blättere vieles schon viel früher ab. Auch in der Staatsoper werde das der Fall sein, ist der Vergolder überzeugt.

Mehr denn je gefordert sei heute das Bundesdenkmalamt, meint Johanna M. Dieses müsse Kulturgüter nicht nur erhalten und pflegen; sondern auch Sanierungen fachlich richtig begleiten. Für Johanna M. sei dies "in der Staatsoper nicht geschehen". (Christopher Erben, 12.3.2019)