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Frauen unterbrechen ihren Tag im Homeoffice regelmäßig, um für ihre Kinder da zu sein, und sitzen abends länger am Schreibtisch.

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Von neun Uhr bis 17 Uhr im Büro die Stunden abarbeiten: Das ist in vielen Unternehmen vorbei. Einige bieten bereits die Möglichkeit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ihre Arbeitsstunden flexibel einteilen oder auch von zu Hause aus arbeiten können. Dadurch ließen sich auch Beruf und Privatleben leichter vereinbaren, so das Versprechen. Wer erst um zehn Uhr kommen muss, kann vor der Arbeit eine Runde joggen. Wer mittags aus dem Büro gehen darf und abends weiterarbeitet, kann nachmittags mit den Kindern zum Spielplatz.

Aber geht das wirklich auf? Haben Eltern tatsächlich mehr Zeit für Hobbys und ihre Kinder? Und wenn ja: Gilt das für Frauen und Männer gleichermaßen?

Diesen Fragen widmeten sich Forscher der gewerkschaftsnahen deutschen Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie. Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass Beschäftigte, die flexibel und im Homeoffice arbeiten können, insgesamt mehr arbeiten. Bei den Müttern ist es durchschnittlich eine Überstunde, bei den Vätern sind es drei Stunden.

Mehr Zeit für die Kids?

Mehr Zeit für ihre Kinder nehmen sich allerdings nur die Frauen. Sie investieren, wenn sie im Homeoffice arbeiten, rund drei Stunden mehr pro Woche für den Nachwuchs. Können sie ihre Arbeitszeit flexibel gestalten, sind es eineinhalb Stunden. Mütter unterbrechen ihre Arbeit regelmäßig, um sich zwischendurch immer wieder der Kinder anzunehmen.

Anders ist das bei den Männern. Der Studie zufolge macht es keinen Unterschied, ob sie von zu Hause aus arbeiten oder nicht – sie investieren etwa gleich viel Zeit in die Kinderbetreuung. Sie unterbrechen im Homeoffice ihre Arbeit laut der Studienautorin Yvonne Lott auch seltener.

Der Grund: Meist sind die Frauen die Ansprechpartnerinnen, etwa wenn das kranke Kind aus dem Kindergarten abgeholt werden muss. "Sie übernehmen nach wie vor mehr Hausarbeit und Betreuung", sagt Genderforscherin Lott zur "Süddeutschen Zeitung". "Paare haben zwar den Anspruch, sich das aufzuteilen. Einen solchen Wandel gibt es aber nur vereinzelt."

Die Schattenseiten

Teilen sich Väter ihre Arbeit flexibel ein, geht offenbar sogar Zeit für die Kinder verloren, wie die Studie darlegt. Pro Woche sind es zwischen 45 Minuten und einer Stunde.
"Flexibles Arbeiten, das als wichtige Hilfe bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt, hat Schattenseiten", resümiert Lott. Die traditionelle Aufteilung wird dadurch verstärkt – weil Frauen und Männer die gewonnene Zeit für jeweils unterschiedliche Zwecke nutzen.

Mitverantwortlich dafür seien Erwartungen von Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen. Vätern werde nach wie vor die Ernährerrolle zugeschrieben. Deshalb verwenden sie die zusätzlichen Stunden zum Arbeiten. Frauen wiederum sollen die Familie priorisieren und gleichzeitig im Job ihr Bestes geben, wenn sie vorankommen wollen – eine Doppelbelastung, wie Lott in ihrem kürzlich veröffentlichten Report schreibt.

Zeiterfassung im Homeoffice

Darin steht ein weiteres interessantes Ergebnis: Flexibles Arbeiten bedeutet für die Beschäftigten keineswegs ein Mehr an Freizeit, wie häufig vermutet. Das liege an den hohen Leistungsanforderungen: Der Job soll vor allem anderen stehen. Wenn sie ihre Arbeit flexibel gestalten können, haben Beschäftigte offenbar umso mehr das Gefühl, sich besonders anstrengen zu müssen. Deswegen geht ihnen letztlich Freizeit verloren.

Also: "Flexibles Arbeiten geht insgesamt eher zulasten der Beschäftigten, und ganz besonders gilt das für Mütter", schreibt Lott. Verantwortlich dafür ist ihr zufolge der Stress, den es verursacht, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Während Väter eher planen könnten, müssten Mütter häufiger mit Unvorhergesehenem zurechtkommen. Laut der Studie schlafen übrigens Mütter mit fixen Arbeitszeiten und einem Schreibtisch im Büro am längsten.

Die Wissenschafterin empfiehlt klarere Regeln, wie eine Zeiterfassung im Homeoffice. Außerdem brauche es Anreize für Väter, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern. (Lisa Breit, 13.3.2019)