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Irgendwann wird Angela Merkel sich gänzlich zurückziehen. Annegret Kramp-Karrenbauer muss wohl noch ein wenig warten.

Foto: AP / Michael Sohn

Das war einmal eine klare Ansage. Kein Herumlavieren, kein Schwurbeln: Alexander Mitsch, der Vorsitzende der "Werteunion" in der CDU, hat gerade unumwunden erklärt, wie ein politischer Wunsch von ihm aussieht: "Es wäre für die Union das Beste, wenn Frau Merkel ihr Amt geordnet und möglichst bald an AKK übergibt."

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel soll also nicht – wie sie es selbst plant – bis zur nächsten Wahl im Jahr 2021 im Amt bleiben. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer möge ihr noch in dieser Legislaturperiode auch als Regierungschefin nachfolgen, meinen die Konservativen in der CDU.

So einflussreich, dass Merkel jetzt vor einer Palastrevolte zittern müsste, ist die "Werteunion" innerhalb der CDU nicht. Aber sie gilt als zuverlässiger Seismograf. Unzufriedenheit mit Merkel wird dort meist früher als in anderen Parteikreisen geäußert.

Und natürlich fragen sich auch viele andere in der CDU, wie lange denn Merkel jetzt eigentlich tatsächlich noch Kanzlerin bleiben wolle. Sie selbst hat ein großes Ziel: Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder will sie nicht davongejagt werden, sondern den Zeitpunkt ihres Ausstiegs selbst bestimmen. Noch bis zur nächsten Bundestagswahl zu dienen hat auch etwas mit ihrem Pflichtverständnis, das man durchaus preußisch nennen darf, zu tun. Andererseits weiß auch Merkel, dass Kramp-Karrenbauer bei der Wahl bessere Chancen hat, wenn sie zuvor schon Fähigkeiten als Kanzlerin bewiesen hat.

Aufarbeitung der Asylpolitik

Als CDU-Chefin hat "AKK" erste Akzente gesetzt. Sie ließ im Februar im Rahmen eines Werkstattgesprächs die Flüchtlingspolitik von Merkel seit 2015 aufarbeiten. Das wenig überraschende Fazit: Eine Situation wie 2015 dürfe sich niemals mehr wiederholen. Zudem regten die diversen Arbeitskreise eine härtere Gangart bei Abschiebungen und gegenüber kriminellen Flüchtlingen an.

Von einem "Wunscharsenal der Innenpolitiker" sprach hernach Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, die eine Vertreterin des liberalen Flügels in der CDU ist. Dieser nämlich blickt nicht ganz so begeistert auf Kramp-Karrenbauer wie die Konservativen in der Union. Über den "Toilettenwitz" der neuen CDU-Chefin auf Kosten Intersexueller im Karneval hat man dort auch nicht so schenkelklopfend gelacht.

Auch 67 Prozent der Deutschen lehnen laut dem RTL/n-tv-Trendbarometer einen vorzeitigen Rückzug Merkels ab. Dieser Wert ist seit Februar um zwölf Punkte gestiegen. Merkel genießt nach wie vor Ansehen – auch wenn sie sich in jüngster Zeit rarmacht. Die zurückhaltende Antwort auf Emmanuel Macrons eindringlichen Appell für einen Neubeginn Europas gab die CDU-Chefin, nicht Merkel. Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte aber, Kramp-Karrenbauers Überlegungen "stehen im Einklang mit den Gedanken der Bundeskanzlerin".

Die CDU ist ohnehin nicht die Einzige, die ein Wörtchen beim endgültigen Abschied Merkels mitzureden hat. Auch der Koalitionspartner SPD müsste gefragt werden, schließlich sind die sozialdemokratischen Stimmen bei der Kanzlerinnen-Wahl im Deutschen Bundestag nötig, wenn die große Koalition weiterhin Bestand haben soll.

Diesen Wechsel würde "niemand in der SPD mitmachen", sagt der Abgeordnete Johannes Kahrs. Viele Abgeordnete würden eher "Amok laufen". Denn: "Wir haben einen Koalitionsvertrag, den haben wir mit Angela Merkel geschlossen." So sieht es auch Juso-Chef Kevin Kühnert: "Würde Merkel abtreten, wäre das quasi die Aufkündigung der Geschäftsgrundlage dieser Regierung."

SPD will lieber Neuwahlen

Die SPD setzt im Falle eines vorzeitigen Wechsels auf Neuwahlen. Viele Rote fremdeln ohnehin auch noch ein Jahr nach Amtsantritt mit der großen Koalition, sie hätten dann eine Gelegenheit, diese vorzeitig zu verlassen.

Kramp-Karrenbauer könnte natürlich versuchen, die Koalition zu wechseln und ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen zu schmieden. Aber da würden die Grünen wohl nicht ohne Neuwahlen mitmachen. Sie bilden derzeit im Bundestag die kleinste Fraktion, sind aber in Umfragen stark. Und so sieht es allen Wechselgerüchten zum Trotz so aus, als würde Merkel als Kanzlerin noch eine Zeitlang erhalten bleiben. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.3.2019)