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Der selbsternannte Übergangspräsident Juan Guaidó (hinten) zeigte sich in den letzten Tagen auf mehreren Kundgebungen im Land.

Foto: AP / Fernando Llano

Nach einem fast einwöchigen Stromausfall ist die Energieversorgung in Venezuela nach Angaben der Regierung vollständig wiederhergestellt. Es gebe nur noch einige Probleme in den Orten Baruta und Hatillo nahe der Hauptstadt Caracas wegen des Brands in einem Umspannwerk, sagte Informationsminister Jorge Rodriguez am Mittwoch. Die Versorgung mit Fließwasser sei zu 80 Prozent wieder sichergestellt.

Als am Dienstag in weiten Teilen des Landes der Strom langsam zurückkehrte und die Menschen wieder über Internet und geladene Handys verfügten, machten Bilder des Chaos und der Gewalt die Runde: In der Ölmetropole Maracaibo wurden während des Stromausfalls, der auch zur Einstellung des Flugverkehrs geführt hatte, zahlreiche Geschäfte und Einkaufszentren geplündert, darunter der Makro-Supermarkt und das Sambil-Einkaufszentrum. Die Menschen, die seit mehr als zwei Jahren unter der sozialistischen Mangelwirtschaft leiden, nahmen offenbar alles mit, was ihnen in die Hände fiel. Auch heruntergelassene Rollläden hielten sie nicht davon ab.

Die meisten Geschäfte hatten geschlossen, weil wegen Hyperinflation und Geldknappheit fast nur noch per Bankkarte bezahlt wird – was ohne Strom nicht geht. Auch die Wasserversorgung kam wegen des Ausfalls der Pumpen ins Stocken. In Caracas gab es Raubüberfälle, unter anderem wurde eine Crew von Air Europa angegriffen. Außerdem verbreiteten regierungsnahe paramilitärische Gruppen ("colectivos") und das gefürchtete Sonderkommando der Polizei (Faes) am Dienstag Angst und Schrecken, wie Amateurvideos aus den Viertel Caricuao und dem Westen von Caracas zeigten. Sie schossen demnach willkürlich in Wohnblocks und auf Demonstranten und nahmen Zivilisten fest.

Schulen und Behörden zu

Nach einer mehrtägigen Zwangspause sollten die Menschen am Donnerstag wieder ihrer Arbeit nachgehen, sagte Kommunikationsminister Jorge Rodriguez. Schulen und Universitäten hingegen sollen sicherheitshalber erst am Freitag wieder öffnen.

Rodriguez sprach von fünf elektromagnetischen Attacken und Cyberangriffen aufs nationale Stromnetz, die das Chaos verursacht hätten. Präsident Nicolás Maduro machte in einer TV-Ansprache irritiert die USA und Gegenpräsident Juan Guaidó für die Situation verantwortlich und ordnete Ermittlungen gegen ihn wegen Sabotage an. Die Regierung habe die Lage im Griff, aber sicherheitshalber sollten sich die Venezolaner auf weitere Stromausfälle vorbereiten. 80 Prozent des venezolanischen Stroms stammen aus dem Stauwerk von Gurí, das seit Jahren unter mangelnder Wartung und Sedimentierung leidet.

Der Oppositionsführer zeigte sich derweil auf mehreren Protestkundgebungen in Caracas und animierte seine Anhänger zum Durchhalten. Ihm zufolge starben wegen des Stromausfalls 21 Patienten in Krankenhäusern. Das von der Opposition kontrollierte Parlament erklärte für 30 Tage den nationalen "Alarmzustand" und bat um internationale Hilfe. Das regierungstreue Oberste Gericht, verlautete aus gut unterrichteten Kreisen, erwäge eine Expressaufhebung der parlamentarischen Immunität Guaidós. Der Nationale Sicherheitsbeauftragte der USA, John Bolton, twitterte daraufhin, die USA würden Venezuelas Sicherheitskräfte für die Unversehrtheit Guaidós und des oppositionellen Parlaments verantwortlich machen. Jegliche Gewaltanwendung gegen sie oder ihre Familien werde auf eine entschiedene Antwort vonseiten der USA treffen. "Die Welt schaut zu", so Bolton.

Festnahmen und Drohungen

Obwohl eine Mission des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte im Land weilte, wurde der regierungskritische Radiojournalist Luis Carlos Díaz festgenommen und im Hauptquartier des Staatssicherheitsdienstes verhört. Ihm wird vorgeworfen, an Sabotage beteiligt gewesen zu sein. "Je mehr sich die Sozialisten in die Enge getrieben fühlen, desto eher sind sie zur Überschreitung bisher auferlegter Grenzen bereit", kommentierte der Journalist Ewald Scharfenberg.

Der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliott Abrams, signalisierte derweil, dass Spanien Angehörige von Maduros Regierung aufnehmen könnte. "Kuba und Russland sind nicht die einzigen Zufluchtsorte", sagte Abrams, räumte aber ein, dass bislang noch kein Minister entsprechende Signale gegeben habe. Die USA zogen unterdessen wegen der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage das letzte noch verbliebene Botschaftspersonal ab.

Der Stromausfall bringt Maduro auch wirtschaftlich in Bedrängnis. Die Ölförderung sank weiter, Experten zufolge exportiert Venezuela seit der Verhängung der US-Sanktionen täglich nur noch 930.000 Fass. Davor waren es rund 1,5 Millionen. Weil die Sanktionen für alle gelten, die mit Venezuela Geschäfte machen, wird der ohnehin überschuldete staatliche Ölkonzern PDVSA zum Paria, jedes Geschäft erhält einen horrenden Risikozuschlag. (Sandra Weiss, APA, 14.3.2019)