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Knapp 230 Millionen Pakete wurden im Vorjahr durch Österreich gekarrt.

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"Treppauf, wir sind die Versandsoldaten! Treppauf, Logistikproletariar! Ding-dong, immer liefern, niemals warten, keiner da, Zettel rein, Treppe ab. Völker, hört die Signale", gab Jan Böhmermann in seiner Fernsehshow die Parole aus. Ein Promi fordere mehr Gerechtigkeit für Paketkuriere, so die markige Botschaft. Der deutsche Satiriker heimste für sein Kampflied in sozialen Medien viel Zuspruch ein.

Vermutlich auch von jenen, die gern den Bikini bei Zalando ordern, das neueste Buch online bestellen oder sich via Internet für die Gartenparty eindecken. Nicht von ungefähr rollt die Paketlawine unaufhaltsam. Knapp 230 Millionen wurden im Vorjahr durch Österreich gekarrt. In den kommenden sieben Jahren dürfte sich die Zahl verdoppeln. Damit wächst auch die Schar an Dienstleistern, die die Waren ausliefern. Rund 7.800 sind laut Schätzungen österreichweit auf den Straßen unterwegs. Und das zu höchst unterschiedlichen, meist aber harschen Bedingungen. Unter Druck stehen alle, geht es doch darum, so effizient und damit günstig wie möglich zu transportieren.

Steiles Gefälle

Oben und unten, mit diesen Begriffen operiert Susanne Bauer, Marktforscherin der Arbeiterkammer Steiermark, wenn sie die Branche beschreiben will. Bauer hat derzeit den besten Überblick, denn die AK hat sie jüngst in einer Studie mit dem Fokus Steiermark unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse dürften übertragbar sein. Oben sind die Großen wie die heimische Post und internationale Logistikkonzerne wie die niederländische GLS, die zur Geopost-Gruppe gehörende DPD, die Deutsche-Post-Tochter DHL, die sich die Post einzuverleiben gedenkt, die deutsche Hermes-Gruppe, die Fedex-Tochter TNT und der US-Konzern UPS. Oben sitzen jene, die absahnen und die auch verhältnismäßig ordentliche Arbeitsbedingungen und Bezahlung bieten. Wobei die Betrachtung der AK-Studie auf jenen Anbietern lag, die Privathaushalte beliefern, also die Post, DHL, DPD, GLS und UPS.

Eines der Ergebnisse vorweg: Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Zusteller in Hinblick auf Entlohnung, Arbeitszeit und Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften schneide die Post im Vergleich zu den anderen noch vorteilhaft ab, aber auch hier nehmen atypische Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitverträge (mit weniger als 20 Wochenstunden), geringfügige Beschäftigung sowie der Einsatz von Leiharbeitskräften zu. Bei den globalen Logistikkonzernen bzw. den für sie tätigen Subunternehmen sind diese Formen laut AK an der Tagesordnung.

Schwer zu durchschauende Branche

Oft gebe es da eine Mischung aus Zustellern auf unselbstständiger und selbstständiger Basis. Bei unselbstständig Tätigen herrsche oft das "Arbeitsethos" vor, dass am Ende des Tages alle Pakete zugestellt sein müssten, in der Praxis würden also arbeits- und abeitszeitrechtliche Regeln als "informell" interpretiert. Die tatsächlichen Arbeitszeiten und die tatsächliche Bezahlung hätten mit den Vorgaben in Kollektiv- und Arbeitsverträgen oft wenig zu tun, Aussagen über die de facto herrschende Einkommenssituation in dieser Branche seien da nur schwer zu treffen.

Bei der Post spiegelt sich die mit der Liberalisierung auf den Markt gekommene Konkurrenz in einer Drei-Klassen-Gesellschaft wider. Zu den aussterbenden Beamten kommen jene mit dem Kollektivvertrag (KV) alt und jene mit dem KV neu (für Speditionsdienste), gültig für Paketzusteller, die ab 2009 einstiegen. Das Grundgehalt macht 1.500 Euro, dazu kommen diverse Zulagen. In diesem Bereich bewegen sich auch andere. Der in Wien neu in den Markt eingetretene US-Riese Amazon bezahlt seine 150 Mitarbeiter im Verteilzentrum in Niederösterreich nach Logistik-KV, macht rund 1.700 Euro für Einsteiger.

Viele Subunternehmer

Das Problem beginnt danach. Es heißt Subunternehmer. Amazon, GLS Austria oder DHL arbeiten mit kleinen (gern Einpersonenunternehmen) und mittelgroßen Subunternehmen zusammen. Man achte aber darauf, dass die Zustellfahrer ordentlich und rechtskonform beschäftigt werden, heißt es unisono. Auch die Post greift auf Subunternehmer zurück, nur im Falle von Auftragsspitzen, und das auch immer weniger, wird beteuert. Die AK zeichnet ein anderes Bild. Es gebe eindeutig die Tendenz, die Paketzustellung weiter auszulagern.

Bleiben wir in Bauers Bild, sind wir damit unten angekommen. Über 700 der 1.000 Kuriere in der Steiermark fahren laut AK für Subunternehmer. Bezahlt wird oft nach Kleintransport-KV, strenge Ruhezeiten wie beim Gütertransport-KV sind hier nicht vorgesehen. Abgesehen von unterschiedlicher Entlohnung gehe es meist um die Frage, wer Überstunden zahle oder ignoriere, sagt Bauer. Der Unterschied könne tausende Euro ausmachen. So hat die AK für einen Arbeitnehmer mehr als 10.000 Euro erstritten.

Die Subunternehmen beschäftigten wiederum Subunternehmer. "Scheinselbstständige", sagt Vida-Gewerkschafter Karl Delfs, oft würden sie illegal nach Akkord bezahlt, etwa nach gelieferten Paketen. "Das treibt einem die Zornesröte ins Gesicht." Die Wirtschaftskammer will mit einem Gütesiegel gegensteuern. Gut, aber nicht die Lösung, wie Delfs meint. "Man muss sich überlegen, ob es nicht einen eigenen KV für den Onlinehandel braucht." (Regina Bruckner, 13.3.2019)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert.