Zwei Tänzer und eine Tänzerin performen in Kat Válasturs "OILinity".

Foto: Dorothea Tuch

Das Öl ist ein Rausch. Es durchdringt alle unsere Lebensbereiche und hält als Grundstoff für tausenderlei Dinge des täglichen Gebrauchs her. Erdöl, bis heute Basis unserer Industriegesellschaft, hat den Planeten von Grund auf verändert. Trotzdem ist es nur selten Thema in den Künsten.

Zu den Ausnahmen zählt Kat Válastur. Die in Berlin lebende Choreografin unterscheidet sich sowieso vom aktuellen, glitzerblinden Mainstream. Sie hat die dunklen Energien, die zwischen Mensch und Öl wirken, zum Thema eines ihrer Stücke gemacht, das am Freitag und Samstag im Tanzquartier Wien (TQW) zu sehen ist: OILinity.

Menschliche Abgründe

Válastur, geboren 1977 in Athen als Katerina Papageorgiou, hat sich zu einer der eindrucksvollsten Choreografinnen Deutschlands entwickelt. Ihr Künstlername ist ein Anagramm aus den Namen ihrer Eltern. In Berlin ist Válastur allerdings erst seit 2007 zu Hause, und hier begann auch ihre Erfolgsstory. Im Jahr 2000 hatte sie, nach ihrem Studium an der Hellenic School of Dance, ein Fulbright-Stipendium für die Trisha Brown Studios in New York erhalten. Kurz danach gründete sie ihre Company adLibdances. Von da an zeigt sich Kat Válasturs künstlerische Größe besonders deutlich, wenn es darum geht, in die schwindelerregenden Dünste menschlicher Abgründe zu tauchen.

Das TQW hat Válastur erstmals 2011 mit ihrem Duett "Lang" (2008) präsentiert. Damals arbeitete sie bereits an ihrem ersten Werkzyklus, mit dem sie in vier Passagen durch die Zeitmeere in Homers Odyssee pflügte. Das Abschlusswerk dieser Tetralogie, Oh! Deep Sea – Corpus III: Your whole life passes before your eyes war ebenso im Tanzquartier zu sehen wie später Gland (2014), Teil eins einer weiteren Serie: The marginal sculptures of Newtopia. OILinity von 2016 ist die dritte "neutopische" Arbeit.

Viel aufzuholen

Wien hat diese brillante Künstlerin ganze fünf Jahre lang aus den Augen verloren. Mittlerweile arbeitet Kat Válastur bereits an ihrem dritten Werkzyklus, der den Titel The staggered dances of beauty trägt. Soll heißen, das Wiener Publikum hat etliches aufzuholen. Höchste Zeit also, OILinity jetzt mit etwas Verspätung auch hier zu präsentieren.

In diesem Trio manövriert die Choreografin zwei Tänzer und eine Tänzerin durch eine von Bildtafeln geprägte, reduzierte Bühnen-"Landschaft". In deren Zentrum bewegt sich als "spinning melancholy" ein so simpel wie ironisch wirkendes zylindrisches Objekt, das zum Zweck der symbolischen Zementierung eines bestehenden Systems errichtet wurde. Dessen Mechanismen suchen die drei Figuren in ihren Tarnanzügen zu sabotieren.

OILinity erinnert an ein Spiel mit Hindernislauf, das Válastur mit der ihr eigenen choreografischen Finesse und ihrem künstlerischen Perfektionismus vorantreibt. Ihre "Neutopie" bewegt sich auf einer etwas anderen Ebene als der verelendete Begriff Utopie oder die Eutopie als Hoffnung auf die große Glückseligkeit. Dort wird dem Pathos des langen Ölrauschs etwas angetan. Etwas, das unsere Zukunft betrifft. (Helmut Ploebst, 14.3.2019)