Strom vom Dach: In der Donaustadt nutzen Mieter das bereits.

Foto: Wien Energie

Thomas S. schaut vom Balkon seines 16-Parteien-Hauses in Wien-Meidling oft hinauf in Richtung Dach und denkt nach. "Es ist doch absurd, dass man die Sonne nicht nutzt, wenn sie im Sommer so runterbrennt", sagt er dann. Er wünscht sich daher eine Fotovoltaik- oder zumindest eine Solaranlage auf dem Dach. Vor kurzem beschloss er, seine Miteigentümer davon zu überzeugen.

Um die Stimmung abzuklopfen, läutete er an Wohnungstüren, schrieb E-Mails und telefonierte. Die meisten fanden sein Engagement für die Umwelt toll, manche kündigten aber an, dass sie aus finanziellen Gründen wohl eher gegen seinen Vorschlag stimmen würden. Denn allein eine Machbarkeitsstudie auf dem Dach würde tausende Euro kosten, rechnete die Hausverwaltung auf Anfrage vor. Mit dieser wurde vereinbart, dass das Thema bei der nächsten Eigentümerversammlung aufs Tapet gehoben würde.

Mehrheit im Haus nötig

Thomas S. steht vor einer schwierigen, aber keiner unlösbaren Aufgabe: Er braucht laut Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, eine einfache Mehrheit der Eigentümer in seinem Haus. Das ist in einer Wohnhausanlage mit 440 Parteien schwierig, im Fall des in seinem 16-Parteien-Haus gut vernetzten Thomas S. aber durchaus machbar. Für die Überzeugungsarbeit sind aber gute Argumente nötig, betont Rosifka. Also etwa jenes, wie viel sich die Bewohner in Zukunft trotz hoher Errichtungskosten sparen könnten.

Spricht sich tatsächlich die Mehrheit der Eigentümer für die Anlage auf dem Dach aus, ist es damit aber immer noch nicht getan: "Ein Einzelner kann den Beschluss binnen dreier Monate anfechten, wenn seine Interessen beeinträchtigt werden", sagt Rosifka.

Bei einem Urteil aus dem Jahr 1996 versuchte ein Bewohner beispielsweise, gegen eine Umstellung des Heizsystems auf Fernwärme aus Kostengründen vorzugehen. Die Anfechtung wurde aber verworfen, weil er sich dafür den Wartungsaufwand und die Kaminsanierung sparte.

Geht die Anfechtung aber durch, dann ist der Beschluss vom Tisch. Vorerst zumindest. "Vielleicht zieht der Bewohner, der dagegen war, ja irgendwann aus", so der Wohnrechtsexperte.

Gesetzesänderung 2017

Den Strom vom Dach darf man in Mehrparteienhäusern erst seit der Kleinen Ökostromnovelle 2017 nutzen. Davor durften Anlagen auf Dächern zwar errichtet, der daraus resultierende Strom aber nur für Allgemeinflächen wie Stiegenhäuser genutzt werden.

Die Wien Energie ist nach der Gesetzesänderung schnell auf den Zug aufgesprungen. 6800 Dächer sind laut ihren Schätzungen in der Bundeshauptstadt für eine Gemeinschafts-Fotovoltaik-Anlage geeignet. Vergangenen Herbst wurde eine solche auf dem Dach eines Wohnhauses in der Donaustadt in Betrieb genommen. "Zwei Drittel der Bewohner machen mit", sagt eine Sprecherin des Unternehmens heute.

Sie sieht eine "sehr starke Nachfrage" nach den Gemeinschaftsanlagen. "Generell muss man aber sagen, dass es keine Lösungen vom Reißbrett gibt", betont sie. Wichtig sei eine intensive Kommunikation mit allen Beteiligten, die richtigen technischen Voraussetzungen auf dem Dach und dass es "engagierte Mieter" gibt, die für die Idee im Haus auch Werbung machen.

Thema vertagt

Auch bei interessierten Eigentümern würde der Kontakt meist über die Hausverwaltung zustande kommen, erzählt sie, dann eine Begehung des Dachs erfolgen.

Wie es bei Thomas S. in Meidling jetzt weitergeht? Für den Tagesordnungspunkt der Fotovoltaikanlage auf dem Dach war bei der Eigentümerversammlung am Ende keine Zeit mehr. Beim nächsten Mal dann.

Thomas S. schaut also weiter vom Balkon hinauf aufs Dach – und fragt sich, wie viel Potenzial da oben wohl schlummert. (Franziska Zoidl, 20.3.2019)