Leipzig/Chemnitz – Am Montag beginnt der Prozess gegen einen der Tatverdächtigen, die in der Nacht auf den 27. August 2018 in Chemnitz am Rand eines Stadtfests den 35-jährigen Daniel H. erstochen haben sollen. Die Tat löste eine Reihe von Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen von Rechtsextremen aus.

Der Angeklagte Alaa S., der seit Ende August in Untersuchungshaft sitzt, muss sich unter anderem wegen gemeinschaftlichen Totschlags verantworten. Der Syrer soll während eines Streits mit einem Messer auf H. eingestochen haben. Dieser starb unmittelbar nach der Tat.

Iraker weiter auf der Flucht

Ein weiterer Tatverdächtiger, ein Iraker, ist nach wie vor auf der Flucht. Nach ihm wird seit Monaten mit internationalem Haftbefehl gesucht. Auch er soll H. mit einem Messer attackiert haben. Den Ermittlungen zufolge geriet der flüchtige Iraker in der Nacht auf der Straße mit dem späteren Opfer in Streit. Laut Medienberichten könnte es dabei um Drogen gegangen sein. Alaa S. sei dem Iraker zu Hilfe geeilt. Beide hätten anschließend "ohne rechtfertigenden Grund" mit Messern mehrfach auf den 35-Jährigen eingestochen, heißt es in der Anklage.

H. erlitt unter anderem einen Herzstich und einen Lungendurchstich. Auch ein weiterer Mann wurde in den Rücken gestochen und verletzt. Deswegen werden S. auch gemeinschaftlich versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Demos, Gegendemos und Konzerte

Das Tötungsdelikt erschütterte die sächsische Stadt. Es kam zu zahlreichen Demonstrationen, bei denen schockierte Bürger Seite an Seite mit Rechtsradikalen gingen. Auch die AfD zog mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung und Rechtsradikalen durch Chemnitz und versuchte den Fall für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Auf der anderen Seite gab es Gegendemonstrationen und Freiluftkonzerte gegen Fremdenhass.

Der Prozess wird am Oberlandesgericht in Dresden verhandelt. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Chemnitz begründete das mit dem "außerordentlich großen Interesse der Öffentlichkeit" und den erhöhten Anforderungen an die Absicherung des Prozesses. Am Oberlandesgericht werden in der Regel Staatsschutzprozesse unter anderem gegen Rechtsterroristen geführt.

Verhandlungstermine bis Ende Oktober

Bisher sind Verhandlungstermine bis Ende Oktober angesetzt. So schnell befrieden wird dieser Prozess Chemnitz allerdings nicht. Erst im Oktober wurden mutmaßliche Rechtsterroristen aus der Region festgenommen, die Angriffe auf Ausländer und politische Gegner geplant haben sollen. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen die Gruppe, die fest in der örtlichen Hooligan- und Neonaziszene verwurzelt ist, wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung.

Wie stark die rechtsextreme Hooliganszene vernetzt ist, zeigten auch die jüngsten Vorfälle in der Stadt. Diese geriet wegen einer umstrittenen Trauerbekundung des Fußballklubs Chemnitzer FC für einen gestorbenen Fan aus der rechtsextremistischen Szene erneut heftig in den Fokus. Die Stadtspitze selbst reagierte "mit Befremden und Unverständnis" auf die Ereignisse. "Chemnitz ist und bleibt eine weltoffene, tolerante und friedliche Stadt", versicherte die Gemeinde. (APA, 15.3.2019)