Der Presserat rügt einen Artikel in der Tageszeitung "Die Presse". Der Senat 3 des Presserats sieht in dem Kommentar "Woran die Debatte über Frauenarbeit seit Jahren krankt" vom 12. Oktober 2018 einen Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Der Kommentar stammt von Jens Tschebull, ehemaliger Chefredakteur von "Trend" und "Profil" sowie Herausgeber des "Wirtschaftsblatt". Der Kommentar versteht sich als "Plädoyer" für all jene, die das Frauenvolksbegehren nicht unterschrieben haben. Im Kommentar werden Frauen als eine "elitäre Kaste" bezeichnet, die von Natur aus und per Gesetz mehr Vorteile habe als Männer.

"Aufgrund der Paarungsgewohnheiten meist die Umworbenen"

Tschebull schreibt, dass Frauen "dank ihres größeren Sprechbedürfnisses die kommunikativen Vorteile von Mobiltelefonen und sozialen Medien bei gleichen Pauschaltarifen besser nutzen" können. Zudem seien sie aufgrund der Paarungsgewohnheiten in unseren Breiten meist die Umworbenen. In Fragen der Fertilität hätten sie die Deutungshoheit und bei der Nachwuchsplanung Entscheidungsfreiheit. Sie seien mit einer wärmedämmenden weichen Oberflächenbeschichtung ausgestattet, würden bei Schiffskatastrophen dennoch als erste gerettet. Sie würden von selbst ernannten Interessensvertreterinnen bemuttert, die in ihrem Namen rufschädigende Volksbegehren anzettelten. Dadurch erschienen sie als hilflose, bedürftige Opfer auf einer nie endenden Verliererstraße, was zum Krankheitsbild der eingebildeten Minderwertigkeit mit all ihren zersetzenden Folgen führe.

Ein Leser kritisierte, dass dieser Kommentar frauenfeindlich sei. Laut Presserat nahm ein Vertreter der "Presse" an der Verhandlung vor dem Senat teil. In Ihrer Stellungnahme wurde vorgebracht, dass es sich bei diesem Gastkommentar nicht um die Meinung des Mediums handle, sondern lediglich um jene des Autors.

Satirischer Unterton

Der Chefredakteur habe laut Presserat betont, dass auch er die Meinung nicht teile und den Versuch des Autors, mit satirischem Unterton einen von der Mainstream-Meinung abgehobenen Kommentar zum Frauenvolksbegehren abzugeben, als gescheitert ansehe.

Der Autor vermische hier ernstgemeinte und satirische Elemente. Der Kommentar sei allerdings auf einer der "Debatten"-Seiten abgedruckt worden, die dazu da seien, Kontrapositionen abzubilden. Darüber hinaus habe das Medium einen weiteren Gastkommentar als Replik auf den ursprünglichen Kommentar veröffentlicht, der doppelt so lang sei.

Der Autor hat in einer gesonderten Stellungnahme vorgebracht, dass der Beitrag die von ihm vertretene Meinung wiedergebe und dass die Lage der Frauen in Österreich "nicht so beklagenswert […] wie von feministischen AktivistInnen dargestellt" sei. Der Text sei nicht beleidigend oder herabsetzend.

Der Senat stuft den vorliegenden Kommentar als frauendiskriminierend ein. Die angeführten Beispiele des Autors, wonach Frauen in vielen Bereichen bevorzugt seien, entbehren laut Presserat "nicht einer gewissen Absurdität". Tschebulls Ausführungen seien geeignet, "Frauen pauschal zu verunglimpfen", was einem Verstoß gegen Punkt sieben des Ehrenkodex entspreche.

"Aus der Zeit gefallen"

Der Presserat: "Der Autor versucht nicht nur, die für die Gesellschaft wichtigen Themen Frauenförderung, Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter ins Lächerliche zu ziehen, sondern will diesen Themen offenbar ihre Legitimation absprechen. Seine Ansichten erscheinen dem Senat geradezu aus der Zeit gefallen. So wie der Chefredakteur geht auch der Senat nicht davon aus, dass der zu prüfende Text als satirische Darstellung einzuordnen ist. Der Artikel mag zwar einige Überzeichnungen und Zuspitzungen aufweisen. Dennoch erweckt der Autor durchaus den Eindruck, die frauenfeindlichen Auffassungen tatsächlich zu vertreten. Dies lässt sich auch aus der Stellungnahme des Autors gegenüber dem Presserat schließen, so der Senat weiter. Darüber hinaus ist der Kommentar auch nicht als "Satire" gekennzeichnet. Der Senat nimmt es zwar positiv zur Kenntnis, dass ein weiterer Gastkommentar mit klaren Kontrapositionen veröffentlicht wurde. Diese Maßnahme reicht jedoch nicht aus, um das Verfahren vor dem Presserat einzustellen.

Zur Veröffentlichung aufgefordert

Der Senat stellt daher einen Verstoß gegen den Ehrenkodex fest und fordert die Medieninhaberin auf, die Entscheidung freiwillig in der Tageszeitung "Die Presse" bekannt zu geben. (red, 15.3.2019)