Studienautorin Eva Zeglovits vom Ifes und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): "Antisemitismus geht uns alle an."

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Wien – Die von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schon zu Monatsbeginn ventilierte Studie über Antisemitismus im Auftrag des Parlaments liegt seit Freitag in allen Details vor: Das Konvolut, für das hierzulande insgesamt 2.700 Personen befragt wurden, weist für Österreich "zehn Prozent manifeste und dreißig Prozent latente antisemitische Einstellungen" aus, wie es Thomas Stern von Braintrust ausdrückte, der sich unter anderen mit der Auswertung befasst hat.

Damit nicht genug, fördert eine Spezialerhebung unter 300 Türkisch sowie 300 Arabisch sprechenden Menschen, die schon länger hier leben, zutage, dass sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einschlägigen Aussagen mitunter um ein Vielfaches mehr zustimmen. Bejahen österreichweit etwa elf Prozent den Satz "Wenn ich jemanden kennenlerne, weiß ich nach wenigen Minuten, ob dieser Mensch Jude ist", sind es unter den Türkischsprachigen 41 Prozent und unter den Arabischsprachigen 43 Prozent.

Besorgniserregend fielen auch die Zustimmungsraten zu Sätzen aus, die den Holocaust relativieren oder gar leugnen. Während jeder Zehnte hierzulande befindet, dass "in den Berichten über Konzentrationslager und Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg vieles übertrieben dargestellt wird", sind dies in den beiden extra ausgewiesenen Untergruppen 41 beziehungsweise 35 Prozent.

Noch krasser ist der Unterschied bei antiisraelischen Aussagen wie "Wenn es den Staat Israel nicht mehr gibt, dann herrscht Frieden im Nahen Osten". Wieder stimmten hier landesweit elf Prozent der Befragten zu, von den Türkischsprachigen 51 Prozent, von den Arabischsprachigen 76 Prozent.

Hohe Zustimmung zu moralischer Verpflichtung

Immerhin weist die Studie nach, dass sich das Meinungsklima auch positiv verändert hat. Der Aussage "Wegen der Verfolgung während des Zweiten Weltkrieges haben wir heute eine moralische Verpflichtung, den Juden in Österreich beizustehen" stimmen 41 Prozent zu. Zum Vergleich: Anfang der 80er-Jahre befanden in Umfragen noch rund 80 Prozent, dass die Juden an ihrer Verfolgung "selbst schuld" seien, wie Stern erläuterte.

Studienautorin Eva Zeglovits vom Ifes-Institut wies darauf hin, dass die Studie auch die Tendenz "Je jünger, desto weniger antisemitisch" bestätige. Dazu wirke ein höherer Bildungsgrad feindlichen Einstellungen gegenüber Juden eher entgegen – auch wenn hier zu bedenken sei, dass besser Gebildete freilich auch eher wissen, was sozial unerwünschte Antworten seien.

Nationalratspräsident Sobotka hielt fest, dass Antisemismus "uns alle angeht" – auch weil dieser so gut wie immer mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und antidemokratischen Haltungen einhergehe, die "zum Ruf nach dem starken Mann oder Lösungen außerhalb des Verfassungsbogens führen". Er will nun Gespräche mit den Religionsgemeinschaften, Ministerien und Landtagen führen, um über die alarmierenden Zahlen zu beraten – und auch die Demokratiewerkstatt im Parlament werde sich damit befassen.

Dazu stellte Sobotka Folgestudien in Aussicht – "nicht um Schuldige oder Sündenböcke zu suchen", wie er sagte, sondern um geeignete Gegenstrategien zu erarbeiten. (Nina Weißensteiner, 15.3.2019)