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Die aktuelle Regierung hat Polen in der EU marginalisiert, die Stimme des Landes hat kaum Gewicht.

Foto: REUTERS/Katarina Stoltz

Der jüngste Aufruf des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Reform der Europäischen Union ist ein Signal der Hoffnung für den gesamten Kontinent. Trotz unserer Meinungsunterschiede sind wir uns in den Kernfragen einig. Wir müssen die EU neu beleben, indem wir sie demokratischer und gerechter machen und ihren inneren Zusammenhalt stärken. Und wir müssen Europa gegenüber den Feinden stärken, die es schwächen wollen: populistischen Kräften im Inneren und ausländischen Mächten.

Kommen Populisten wie die in Polen regierende Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) an die Macht, träumen sie davon, Zwietracht unter den demokratischen Oppositionsparteien zu säen. Doch wir haben ihre zynische Strategie überwunden, indem wir im Vorfeld der Europawahlen im Mai die Europäische Koalition oppositioneller Kräfte gegründet haben. Dieses neue demokratische Bündnis, dessen Vorsitzender ich bin, liegt in den Meinungsumfragen vorn und ist dabei, die PiS zu besiegen – zuerst im Mai und anschließend bei den polnischen Parlamentswahlen im Herbst.

Beide Wahlen sind von entscheidender Bedeutung. Polen braucht eine neue Regierung, die den Rechtsstaat respektiert und innerhalb der EU eine positive Rolle spielt. Und Europa braucht ein Polen, das zwar für seine eigenen Interessen eintritt, aber auch stark für die unverzichtbaren demokratischen Werte kämpft.

Launen der PiS-Partei

Polen kennt die von Macron so gut herausgestellten Bedrohungen – eine europafeindliche Einstellung und Angriffe auf den Rechtsstaat – aus eigener Erfahrung. Obwohl die Polen zu den europafreundlichsten Menschen gehören, vergiftet Jaroslaw Kaczynski, PiS-Chef und faktisches Oberhaupt der Regierung, die Beziehungen zur EU. Die derzeitige Regierung hat Polen innerhalb der EU derart marginalisiert, dass seine Stimme kaum noch Gewicht hat. Dies ist der Grund, warum alle vernünftigen Politiker die Rückkehr unseres Landes auf eine angesehene und aktive Position innerhalb der europäischen Strukturen im Interesse der nationalen Sicherheit Polens für lebensnotwendig erachten.

Doch dazu wird es nicht kommen, wenn wir die PiS nicht besiegen. Geht die PiS in eine zweite Amtszeit, könnte Kaczynski die letzten Dosen seines fremdenfeindlichen Gifts verabreichen, indem er Polens Justiz und Medien völlig den Launen seiner Partei unterwirft. Kann ein Land ohne unabhängige Justiz in der EU bleiben? Ich denke nicht.

Nicht mehr Bürokratie

Eine neue, von der Europäischen Koalition geführte Regierung würde sich um eine Beteiligung an Macrons Initiativen zur Reform der EU bemühen. Wir stimmen ihm zu, dass die EU mit anderen Weltmächten auf eine Weise konkurrieren kann, wie es kein einzelner Mitgliedstaat kann. Und dass die EU ihre Außengrenzen stärken, ihre demokratischen Prozesse gegen ausländische Manipulation schützen und in Forschung und Innovation auf einem Niveau ähnlich dem der USA und Chinas investieren muss. Darüber hinaus müssen die einzelnen Mitgliedstaaten und die EU als Ganzes anfangen, ihre Wirtschafts-, Verteidigungs- und Bildungspolitik zu koordinieren. Unsere aktuellen Schwächen in diesem Bereich verschaffen ausländischen Akteuren einen Vorteil.

Doch bin ich nicht überzeugt, dass Macrons Vorschlag, neue EU-Behörden zu schaffen, der beste Weg ist, um diese Probleme in Angriff zu nehmen. Die EU hat bereits mehr als 30 davon. Weitere Behörden bedeuten mehr Bürokratie – was kaum dazu beitragen dürfte, Begeisterung für Europa zu wecken. Eine einfachere Lösung bestünde darin, bestehende EU-Institutionen zu stärken und für eine ausreichende Finanzausstattung zu sorgen.

Strategische Debatte

Macron hat recht, wenn er sagt: "Es geht bei Fortschritt und Freiheit darum, von seiner Arbeit leben zu können." Doch jeder administrative Versuch, die EU-Arbeitskosten anzugleichen, würde zu Arbeitsplatzverlusten in Polen und anderswo in Mitteleuropa führen. Das würde die Kapitalzuflüsse reduzieren, die dazu beitragen, die Löhne zu steigern, und die Region befähigen, zu den wohlhabenderen Ländern aufzuschließen. Die produzierende Industrie würde dann immer noch jene Länder verlassen, die nicht ausreichend konkurrenzfähig sind, aber sie würde statt nach Mitteleuropa in andere Teile der Welt abwandern.

Allerdings hat Macron unzweifelhaft recht, wenn er die Wichtigkeit der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik betont. Sollten wir in Polen die Macht erlangen, wird die Europäische Koalition eine strategische Debatte einleiten, um wirksame institutionelle Maßnahmen zu entwickeln und die Verteidigungsressourcen der EU auszuweiten. Die EU braucht einen robusten Verteidigungshaushalt und eine Abstimmung der Produktion innerhalb der europäischen Verteidigungsindustrie, um zu garantieren, dass wir die von uns unternommenen Missionen bewältigen können.

Gemeinsame Verteidigung

In diesem Punkt sollte die EU mehr Initiative bezüglich ihrer Nato-Zusammenarbeit zeigen. Sie sollte die transatlantischen Beziehungen und die operativen Verbindungen zwischen den Militärkapazitäten beider Organisationen stärken. Der Schlüssel zu unserem gemeinsamen Erfolg ist die Verteidigungsfähigkeit – transatlantisch, wo immer möglich, und europäisch, wenn nötig.

Auch sollten wir nicht vergessen, die europäische Integration zu vollenden. Wir sollten die Länder des westlichen Balkans bei uns begrüßen, wenn sie so weit sind. Und wir sollten die europäischen Sehnsüchte der Ukraine respektieren, die von großer strategischer Bedeutung für Polen und die EU ist. Die europäische Solidarität sollte bis in die ukrainischen Städte reichen; tut sie das nicht, wird Europa nie ein sicheres Ganzes sein.

Ruf zur rechten Zeit

Vor 30 Jahren überwanden die Polen ihre inneren Spannungen und sprachen sich mit überwältigender Deutlichkeit gegen den Kommunismus und die Unterwerfung gegenüber der Sowjetunion aus. Dies führte letztlich zum Fall der Berliner Mauer und zum Ende des Kommunismus in Europa. Heute müssen wir angesichts einer populistischen Regierung, die uns spalten will, weiterhin so geeint für die Sache der Demokratie und gegen einen gesetzlosen Autoritarismus eintreten, wie wir das 1989 getan haben.

Macrons Ruf nach einer europäischen Erneuerung kommt zur rechten Zeit. Wir sind entschlossen, Polen an seinen ihm zustehenden Platz innerhalb eines demokratischen Europa zurückzuführen, und bereit, unsere gemeinsame Aufgabe der Reform der EU in Angriff zu nehmen. (Grzegorz Schetyna, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 16.3.2019)