Kadri Veseli bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ferizaj.

Foto: Visar Kryeziu

Der kosovarische Premier Ramush Haradinaj hat nach der Aufforderung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, die 100-Prozent-Zölle für serbische Waren aufzuheben, geantwortet, dass der Dialog mit Serbien auch ohne die Aufhebung der Zölle weitergehen könne. Serbien hat die Abschaffung der Zölle als Bedingung für die Wiederaufnahme der Gespräche gefordert.

Die Zölle wurden im November vorigen Jahres eingeführt – unter anderem als Reaktion darauf, dass Serbien international dafür lobbyiert hatte, dass Staaten, die bereits den Kosovo anerkannt haben, diese Anerkennung wieder zurücknehmen, und verhindert hatte, dass der Kosovo der Europol beitreten kann. Die Zölle für serbische Waren führen im Kosovo zu keinerlei Engpässen – im Gegensatz zu der Behauptung der serbischen Regierung.

Keine Bedingungen

Der kosovarische Parlamentspräsident Kadri Veseli meint dazu: "Die Einführung der Zölle gegenüber Serbien hat auch damit zu tun, dass wir seit 2013 ein integriertes Grenzmanagement haben. Dabei werden aber viele Vereinbarungen vom serbischen Staat nicht umgesetzt." So habe der Kosovo etwa viel in den Energie- und Elektrizitätssektor – konkret in die Stromverbindung 70 Millionen Euro – investiert. Doch Serbien blockiere dies seit Jahren, und die Bürger müssten dafür büßen.

"Der Dialog findet zwischen zwei gleichberechtigten Partnern statt. Wenn Serbien nun Bedingungen stellt, unter welchen Umständen der Dialog stattfinden sollte, dann nimmt Serbien die Angelegenheit nicht ernst", so Veseli. Die beiden Seiten sollten sich wechselseitig respektieren.

Kein Norden, kein Süden

Veseli hält ein bilaterales Abkommen, das für die EU-Annäherung Serbiens nötig ist, trotzdem für möglich. Im Gespräch mit dem STANDARD stellt er aber fest: "Wir sind ein unabhängiges Land und wir diskutieren nicht über Territorium und über unsere Souveränität." Er spielt damit auf die Forderung des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, eine Grenzänderung durchzuführen, an. Dabei soll der nördliche Teil des Kosovo zu Serbien kommen. Vučić wird in dieser Idee von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und der US-Administration unterstützt.

Veseli und die meisten anderen kosovarischen Politiker sind gegen eine solche Grenzänderung, also eine Teilung des Kosovo. "Es gibt keinen Norden und keinen Süden in meinem Land, es ist ein westliches Land. Wir folgen nur dem, was in unserer Verfassung steht", stellt er fest. Undemokratische Deals lehnt er ab. "Wir sind eine Demokratie, deshalb wird alles in unserem Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit entschieden werden. Ich arbeite auch daran, dass es zu dem Abkommen mit Serbien im Kosovo ein Referendum geben wird. Die Bürger werden das entscheiden", fügt Veseli hinzu.

Keine negativen Auswirkungen in der Region

Eine Teilung des Kosovo würde auch eine Trennung nach ethnischen Kriterien von vielen Kosovaren bedeuten. Denn im Norden leben vorwiegend Serben. Veseli sagt dazu: "Serben und Albaner können zusammenleben, in den Grenzen, wie sie nun bestehen. Denn sonst passieren ethnische Säuberungen, und damit wäre auch die Stabilität auf dem Balkan infrage gestellt. Wir wollen jedenfalls nicht, dass unsere Situation irgendwo auf dem Balkan eine negative Auswirkung hat", spricht er sich gegen die Idee von ethnischen Grenzziehungen aus, die vor allem in Bosnien-Herzegowina ein politisches Signal wären.

"Ich bin bereit, einen Preis zu zahlen, aber ich werde nicht zulassen, dass meine Kinder erleben, was ich schon erlebt haben. Alle ethnischen Gruppen hier auf dem Balkan wissen, was es bedeutet, in der Minderheit zu sein, und deshalb werden wir nicht zulassen, dass Serben im Kosovo leiden. Der Kosovo wird nie ein Experiment sein", so der ehemalige Chef des Geheimdienstes Shik.

Keine Republika Srpska im Kosovo

Einer Schaffung einer Art "Republika Srpska" im Kosovo lehnt er auch ab. Die Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina ist einer von zwei Landesteilen, der sehr weit reichende Autonomie hat und auf der gesamtstaatlichen Ebene mit zahlreichen Veto-Funktionen ausgestattet ist. 2013 haben sich Serbien und der Kosovo auf die Bildung eines serbischen Gemeindeverbands im Kosovo geeinigt. Dieser wurde allerdings nie umgesetzt – manche haben Sorge, dass dieser Gemeindeverband so ähnlich wie eine "Republika Srpska" sein könnte.

Veseli meint, dass eine solche "Republika Srpska" auch nicht mit der Verfassung des Kosovo zu vereinbaren sei. "Das würde auch zu einem andauernden Konflikt führen. Die Schaffung des serbischen Gemeindeverbands mit Exekutivrechten würde einer Verfassungsänderung bedürfen. Wir lassen das nicht zu. Wir sind für den serbischen Gemeindeverband – aber so wie er im Ahtisaari-Plan vereinbart wurde", erklärt er. Der Ahtisaari-Plan war die Grundlage für die Unabhängigkeit des Kosovo im Jahr 2008. Er garantiert Minderheiten – vor allem Serben – eine sehr weitreichende Mitwirkung.

Parallelstrukturen

Das kosovarische Parlament hat kürzlich das Verhandlungsteam für den Dialog mit Serbien bestätigt – die sogenannte "Plattform". Veseli meint zum STANDARD: "Wir sind schon vorbereitet auf die Verhandlungen. Aber wir werden uns unter keinen Druck setzen lassen." Serbien solle damit aufhören, die parallelen Strukturen innerhalb des Kosovo zu finanzieren, und das sollte auch von der EU ernster genommen werden, damit das fairer ablaufe, fordert der Politiker der Regierungspartei PDK.

Im Norden des Kosovo gibt es nach wie vor serbische Parallelstrukturen, viele Leute werden von beiden Staaten – vom Kosovo und von Serbien – bezahlt. In den vergangenen Monaten hat die serbische Regierung allerdings den Druck auf jene Serben im Kosovo verschärft, die sich in den kosovarischen Staat integrieren wollen. Viele mussten aufgrund dieses Drucks die kosovarischen Sicherheitskräfte verlassen. Gegen Serben, die mit Albanern zusammenarbeiten wollen, werden auch gewaltsame Angriffe verübt.

Kritik an Schengen-Visa

Kritik übt Veseli daran, dass Kosovo als einziges Land in Europa noch keine Schengen-Visumsfreiheit besitzt, obwohl alle Bedingungen erfüllt wurden. "Wo ist die Würde der EU, wo sind die Werte?", fragt er. "Die EU steckt offenbar in einer großen Krise, denn ein Land in Europa mit 1,6 Millionen Einwohnern, die sehr proeuropäisch sind, müssen nun wegen dieser Krise büßen", so Veseli zum STANDARD. "Das ist mehr als eine Schande. Man sollte diese populistische Politik unter Kontrolle bringen – ansonsten wird man über die Existenzfähigkeit der EU der sprechen." (Adelheid Wölfl, 16.3.2019)