Austern-Seitlinge heißen so, weil sie seitlich wachsen. Im konkreten Fall werden sie auf einem Substrat aus Kaffeesatz gezogen.

Pilzkiste/Fischer

Bei der Zucht von Austernpilzen, in Österreich bis vor kurzem reine Männersache, mischt neuerdings ein Frauentrio mit. Seit etwas mehr als einem halben Jahr ernten Mercedes Springer, Jasmin Kabir und Nina Bercko Austern-Seitlinge – nicht auf Stroh oder Hackschnitzeln gezogen, sondern auf Kaffeesatz.

Pilzkiste heißt das Start-up, das mit gut 30.000 Euro aus einem Crowdfunding nach längerer Standortsuche in Graz-Geidorf fündig geworden ist. Dort hat sich das Trio 2018 in ein Gebäude eingemietet, wo auch die Rot-Kreuz-Rufhilfe untergebracht ist. Im Erdgeschoß stehen 330 m2 Fläche zur Verfügung. Im Endausbau sollen bis zu 300 kg Pilze pro Woche geerntet werden.

"Wir sind zu dritt – ein Dreimäderlhaus", sagt Mercedes Springer, eine der Gründerinnen, dem STANDARD. Dass es die Pilzkiste gebe, sei purer Zufall. "Es war Anfang 2017, Jasmin hat einen Fernsehbeitrag gesehen, wie in einem alten Schwimmbad in Rotterdam Kaffeepilze gezüchtet werden. So etwas gab es in Graz noch nicht. Als Nina, eine langjährige Freundin von Jasmin, gehört hat, dass wir Austernpilze auf Kaffeesatz züchten wollen, hat sie spontan gesagt: Ich bin dabei."

Umweltschonende Produktion

Für Kaffeesatz als Kernsubstrat habe man sich bewusst entschieden, auch wenn der Ertrag bei Verwendung von Stroh größer wäre. Springer: "Unsere Philosophie ist nicht, möglichst viel, sondern möglichst umwelt- und ressourcenschonend zu produzieren". Die Qualität der Pilze, die bis zur Erntereife zwei verschiedene Klimazonen durchlaufen, sei um ein Vielfaches besser als Industrieware. "Wir werden zwar nie ein Biozertifikat bekommen, weil wir nicht garantieren können, dass der Kaffeesatz bio ist. Das haben wir anfangs als Nachteil gesehen, mittlerweile nicht mehr. Wir sind froh, ein regionales Produkt zu haben." Selbst der Kaffeesatz müsse nicht weiter als maximal elf Kilometer herangeschafft werden.

"Man muss sich überlegen, welchen Weg der Kaffee hinter sich hat, bis er zu uns kommt, dann wenige Sekunden im Einsatz ist und ab in den Abfall – ein Wahnsinn. Wir helfen mit, einen Kreislauf zu schaffen", sagt Springer.

Tonnen an Kaffeesatz

Sobald man die Maximalproduktion von monatlich 1200 kg erreicht habe, benötige man zehn Tonnen Kaffeesatz, Monat für Monat. Diesen hole man derzeit in Gastrobetrieben ab, denke aber auch an Pflege- und Pensionistenheime sowie Gesundheitseinrichtungen. Nach zweimaliger Verwendung könne der Kaffeesatz als Dünger in der Landwirtschaft oder Insektenfutter eingesetzt werden.

Derzeit arbeitet die Pilzkiste mit Praktikanten der Fachhochschule für nachhaltiges Lebensmittelmanagement in Graz zusammen. In Zukunft möchte man auch Langzeitarbeitslosen, Pensionisten oder Flüchtlingen eine Arbeitsmöglichkeit bieten. Vertrieben werden die Pilze über Feinkostläden und Gemüsehändler in der Stadt, an einem Abo-Modell für Kunden wird gearbeitet. Zuvor steht noch ein Fernsehauftritt an: Am Dienstag wirbt das Trio in der Sendung 2 Minuten 2 Millionen auf Puls 4 um Investorengeld. (Günther Strobl, 17.3.2019)