Der ganz große Einzeltitel fehlt dem Slalomspezialisten Felix Neureuther.

Foto: APA/Neubauer

Soldeu – Der Skirennsport war sein Leben – doch Felix Neureuther kann und will nicht mehr. Der beste deutsche Skirennläufer beendet mit dem Slalom beim Weltcup-Finale am Sonntag in Soldeu/Andorra seine lange Karriere.

"Ich habe meinen Kindheitstraum in vollen Zügen leben dürfen, und dafür bin ich so unendlich dankbar. Aber mein Herz und vor allem mein Körper haben mir in den letzten Monaten deutlich zu verstehen gegeben, dass es an der Zeit ist, dieses für mich so wunderschönes Kapitel Skirennsport zu beenden", schrieb der Sohn von Christian Neureuther und Rosi Mittermaier zu einem Video seiner schönsten Szenen in fast 16 Jahren Ski-Weltcup in den Sozialen Medien.

Neureuther ist mit 13 Siegen der erfolgreichste deutsche Alpine im Weltcup. Sein Debüt gab er am 4. Jänner 2003 im slowenischen Kranjska Gora. Der ganz große Einzeltitel blieb dem Slalomspezialisten verwehrt, auch wenn er sich seit dem Team-Gold 2005 Weltmeister nennen darf. In seiner Paradedisziplin gewann Neureuther WM-Silber (2013) und zweimal -Bronze (2015/2017), dazu kommt eine weitere Bronzemedaille mit der Mannschaft (2013).

Kein Glück bei Olympia

Auch den Traum von einer Olympia-Medaille konnte sich Neureuther nicht erfüllen. 2014 war er in der Form seines Lebens, als er sich auf der Anreise nach Sotschi bei einem Autounfall ein Schleudertrauma zuzog. In Russland schied er beim Olympia-Slalom, der sein Rennen hätte werden sollen, aus. Pyeongchang 2018 verpasste er wegen eines im November 2017 zwei Wochen nach seinem letzten Weltcup-Sieg erlittenen Kreuzbandrisses.

Im Bayerischen Rundfunk sprach Neureuther von einer "großen Befreiung". Er habe zuletzt sehr mit sich gerungen, "der Kampf war schon hart", der Zeitpunkt aber sei der richtige: "Jetzt ist Zeit für etwas Neues." Der Plan dafür, versicherte Neureuther, sei "schon gemacht". Konkret wurde er nicht. "Der Skisport war mein Leben und wird es in Zukunft auch bleiben", schrieb er in seiner Abschiedserklärung. Deswegen sage er nicht Servus, "sondern bis bald".

Wegen seines lausbubenhaften Charakters flogen dem populärsten deutschen Wintersportler die Sympathien zu. Mit kaum jemandem freuten sich die Fans so wie mit ihm – und mit kaum einem litten sie so sehr. "Er ist 34 Jahre alt, da ist es dann irgendwann vorbei, so wehmütig man das sieht von allen Seiten her. So einer fehlt definitiv", sagte DSV-Alpinchef Wolfgang Maier zuletzt. Mit Lindsey Vonn (USA) und dem Norweger Aksel Lund Svindal waren in diesem Winter bereits zwei Topstars abgetreten. Marcel Hirscher, der über seine Zukunft erst in einigen Wochen entscheiden will, würdigte Neureuther als "beeindruckend feinen Kerl".

Neureuther "einen Schritt weiter" als Hirscher

"Es ist natürlich sehr, sehr schade, wenn ein weiterer meiner langjährigen Wegbegleiter und Konkurrenten und Freund die Ski ins Eck stellt. Ich hoffe nur, dass der Felix in irgendeiner Art und Weise dem Skisport erhalten bleibt. Es wäre ewig schade um den feinsten Kerl des Skisports, wenn der nur noch daheim wäre und nicht mehr Teil des Ski-Weltcups", sagte der Salzburger. Felix werde die richtige Entscheidung für sich getroffen haben. "Von dem her kann man ihm nur gratulieren, dass er schon einen Schritt weiter ist als ich", sagte Hirscher.

In den sozialen Medien schwang bei den Wegbegleitern Wehmut mit. "Du bist und wirst immer der Beste sein, eine wahre Legende und mit dem besten Spirit, den es auf der Tour jemals gegeben hat", schrieb der Franzose Julien Lizeroux. "Alles Gute für deine Zukunft, mein Freund! Danke, dass ich mit dir Rennen fahren durfte, und auch abseits der Piste war's eine geile Zeit", schrieb Philipp Schörghofer. "Viel gelacht und gekämpft haben wir zusammen und jetzt wünsch ich dir einfach weiterhin viel Spaß", meinte Manfred Mölgg.

Das Weltcupfinale ist traditionell Schauplatz für Abschiede. Ihre letzten Rennen bestritten am Samstag in Soldeu der Franzose Thomas Fanara und die Italienerin Chiara Costazza, beide fielen im ersten Durchgang aus. Der Schwede Mattias Hargin trat im Teambewerb ab. Am Sonntag folgt neben Neureuther auch die Schwedin Frida Hansdotter.

Schlampiges Genie

Neureuther allerdings galt immer auch als schlampiges Ski-Genie und nicht gerade überehrgeizig im Training. Dazu bremsten ihn immer wieder körperliche Probleme wie seine chronischen Rückenschmerzen. Zwischendurch habe er sich wie "ein fahrendes Wrack" gefühlt, sagte er.

Die Abschiedssaison von Neureuther, der mit Frau Miriam eine Tochter (Matilda, 1) hat, verlief auch deshalb enttäuschend. Im Weltcup kam er nicht über drei achte Plätze hinaus, bei der WM in Are/Schweden wurde er im Slalom, seinem letzten großen Rennen, disqualifiziert.

Danach hatte er die Fortsetzung seiner Karriere an Bedingungen geknüpft, darunter nicht spezifizierte Veränderungen im deutschen Slalomteam. "So wie es momentan ist, lass ich es bleiben", sagte er. Und das tut er jetzt. (sid, APA, 16.3.2019)