London – Die britische Regierung verzichtet möglicherweise auf eine dritte Abstimmung über das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen in der kommenden Woche im Parlament. Das sagte Handelsminister Liam Fox am Sonntag in einem Interview des TV-Senders "Sky News". Ob sie stattfinde, hänge davon ab, ob sich eine Mehrheit abzeichne, sagte Fox. "Es hat keinen Sinn, eine Abstimmung abzuhalten, wenn wir keine Chance haben, sie zu gewinnen."

Die britische Premierministerin Theresa May hatte angekündigt, ihr Brexit-Abkommen den Abgeordneten in wenigen Tagen ein drittes Mal vorzulegen. Ein Termin dafür stand aber zunächst nicht fest. Britische Medien hielten den Dienstag für wahrscheinlich. Mitte Jänner und Mitte März war May mit dem Deal über den EU-Austritt im Parlament krachend gescheitert. In einem Gastbeitrag in der Sonntagsausgabe des "Telegraph" rief sie die Parlamentarier zur Unterstützung auf.

Lange Verzögerung

Dort hat May bei den Abgeordneten des Londoner Parlaments um Zustimmung zu ihrem Brexit-Vertrag geworben. Wenn das Unterhaus weiterhin bei seiner mehrheitlichen Ablehnung des Austrittsabkommens mit Brüssel bliebe, werde das Land "die EU für viele Monate nicht verlassen, wenn überhaupt", schrieb May in einem Beitrag für die Zeitung "Sunday Telegraph".

May stellte die Abgeordneten vor die Wahl. Sollten diese dem Brexit-Vertrag bis zum EU-Gipfel am kommenden Donnerstag doch noch zustimmen, würde sie in Brüssel lediglich eine "kurze technische Verlängerung" des für den 29. März vorgesehenen Austritts beantragen. Dies sei zwar "kein ideales Ergebnis", sagte May. Aber die Bevölkerung würde dies als Zwischenschritt zum Brexit "akzeptieren".

Alternative "viel schlimmer"

Die Alternative zur Zustimmung bis kommenden Donnerstag sei dagegen "viel schlimmer". Bei einem deutlichen Aufschub des Austritts müsste sich Großbritannien an der Europawahl im Mai beteiligen. Drei Jahre nach dem Brexit-Referendum verbiete sich schon der Gedanke daran, sagte May. "Es könnte kein mächtigeres Symbol des kollektiven politischen Scheiterns des Parlaments geben."

Das britische Unterhaus hatte am Donnerstagabend beschlossen, den EU-Austritt nicht wie geplant Ende dieses Monats zu vollziehen, sondern erst einige Monate später. Um dies möglich zu machen, müssen alle 27 EU-Staaten dem Ersuchen zustimmen. Darüber soll kommende Woche beim EU-Gipfel beraten werden. Mehrere europäische Politiker machten bereits deutlich, dass London allerdings plausible Gründe für seine Bitte um Aufschub liefern müsse.

Mögliches Nein Italiens zu Verlängerung

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok etwa hält es für möglich, dass Italien gegen eine Fristverlängerung für den Austritt Großbritanniens aus der EU stimmt. Der frühere Chef der europakritischen UKIP, Nigel Farage, habe erklärt, es gebe bereits Absprachen zwischen ihm und dem italienischen Innenminister Matteo Salvini, einer Verschiebung nicht zuzustimmen, sagte Brok dem Deutschlandfunk.

Farage und die UK Independence Party (UKIP) hatten eine tragende Rolle beim Brexit-Referendum 2016 gespielt. Die Briten sprachen sich damals mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt aus. Inzwischen fürchtet Farage um den EU-Austritt seines Landes. "Wenn man sieht, was sich im Parlament diese Woche abgespielt hat, könnte es gut sein, dass wir die EU nicht verlassen", sagte er am Samstag vor Anhängern im nordostenglischen Sunderland zum Auftakt eines zweiwöchigen Protestmarschs.

Sollte es zu einer Verschiebung kommen, plädierte Brok für einen Aufschub bis maximal 23. Mai 2019. An diesem Tag fände andernfalls in Großbritannien die Europawahl statt. Eine Teilnahme der Briten an der Wahl halte er für "unerträglich", sagte Brok.

Verschiebung in zwei Teilen

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans brachte eine Verschiebung des Brexit in zwei Etappen ins Gespräch. "Wenn die Briten eine Verlängerung brauchen, müssen wir auch wissen wozu", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "So lange das nicht klar ist, kann der Brexit nur um ein paar Wochen aufgeschoben werden – allein, um einen chaotischen Austritt am 29. März zu verhindern." In dieser Zeit müssten die Briten dann sagen, was sie wollten, fuhr er fort: "Neuwahlen organisieren? Ein neues Referendum abhalten? Erst danach können wir über eine Verlängerung um mehrere Monate reden." (APA, 17.3.2019)