Das Lied "Beseitigt den Kebab", in dem Kriegsverbrecher Radovan Karadžić gehuldigt wird, hörte auch der mutmaßliche Attentäter von Christchurch.

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Er hörte sich auf Youtube jenes Lied an, das auch auf dem Balkan für muslimenfeindliche Propaganda sorgt. "Für die Verteidigung des serbischen Volkes kämpfen wir", heißt es in "Beseitigt den Kebab", einem Song der Tschetniks, der dem Kriegsverbrecher Radovan Karadžić huldigt. Der Attentäter von Christchurch, Brenton T., ließ sich offensichtlich von dem Genozid an den Muslimen in Bosnien-Herzegowina "inspirieren", als er sein eigenes Verbrechen begann. Bei dem Lied handelt sich um eine Art Hymne der rechtsextremen Muslimenfeinde, die vor drei Jahren auf Youtube erschien. Gezeigt werden in dem Musikvideo Nationalisten, die großserbische Gebietsansprüche stellen.

Dass T. tatsächlich am Balkan interessiert war, legen seine mittlerweile bekannten Reisen dorthin nahe. Zudem ist das Video aber auch ein beliebtes Meme rechter Internetforen. Der Hintergrund: Im Bosnien-Krieg wurden insgesamt 100.000 Menschen getötet, 80 Prozent der ermordeten Zivilisten trugen muslimische Namen und wurden nur deswegen Opfer dieser Verbrechen. Die muslimenfeindliche Propaganda wurde politisch schon Jahre zuvor geschürt. Sie führte schließlich auch zu den massenhaften Vertreibungen und Tötungen von Menschen mit muslimischen Namen (1992–1995) und zum Genozid in Srebrenica im Jahr 1995. Erst kürzlich trat eine Gruppe von Tschetniks in schwarzem Faschsten-Look wieder in der ostbosnischen Stadt Višegrad in Erscheinung und huldigte ihrer Ideologie.

Anstiftung zu Terrorismus

Zurzeit sorgt aber ein anderer Fall muslimenfeindlicher Propaganda für einen Skandal, weil Medien zufolge der kroatische Staat darin eine Rolle spielt. Demnach soll der kroatische Geheimdienst einen Plan ausgedacht haben, wonach Waffen in bosnischen Moscheen platziert werden sollten. Der Vorwurf: Kroatien soll damit Terrorismus in einem Nachbarland angestiftet haben. Aufgedeckt hat den Skandal erst vor wenigen Tagen das bosnische Nachrichtenmagazin "Žurnal". Es ging offensichtlich darum, dass auch mithilfe kroatischer Diplomaten Bosnien-Herzegowina diskreditiert werden sollte, um es als ein "Land mit radikalem islamischem Terrorismus" darzustellen.

Bosniens Sicherheitsminister Dragan Mektić hat den Versuch der kroatischen Geheimdienste mittlerweile bestätigt. Es handelt sich demnach um einen hybriden Krieg des Nachbarstaates. Žurnal veröffentlichte Dokumente und Mitschriften von Gesprächen, die den Plan offenbaren. Demnach soll das Waffenlager, das vorher in der Moschee installiert wurde, danach "aufgedeckt" werden und unter anderem die falschen Vorwürfe von der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović bestätigen, wonach Bosnien-Herzegowina eine "Brutstätte für den Terrorismus" sei und es "10.000 radikalisierte Personen" im Land gäbe. Dies hatte die Staatschefin im Jahr 2016 behauptet.

Premier spricht von "Unsinn"

Zitiert wird in dem "Žurnal"-Artikel ein bosnischer Salafist, der von kroatischen Geheimdienstmitarbeitern aufgefordert worden sein soll, Waffen in der Moschee des Dorfes Stranjani zu platzieren. Dem Bosnier soll gedroht werden sein, dass er seine Arbeitserlaubnis in der EU verlieren würde, wenn er den Anweisungen nicht folge. Der kroatische Geheimdienst SOA weist die Anschuldigungen vehement zurück, Premier Andrej Plenković sprach von "Unsinn". Die bosnische Staatsanwaltschaft ermittelt. Experten bezweifeln jedoch, dass Bosniens Justiz in der Lage ist, der Sache nachzugehen, weil sie von Familien- und Parteieninteressen unterlaufen ist.

Zwei Mitglieder des bosnischen Staatspräsidiums, Šefik Džaferović und Željko Komšić, sagten, dass die Vorwürfe ernsthafte politische Folgen haben könnten, wenn sie sich bestätigen sollten. Die Geschichte passt jedenfalls zu den unzähligen Versuchen kroatischer Politiker der vergangenen Monate, sich in die Politik des Nachbarlandes einzumischen. Zagreb unterstützt radikalnationalistische Herzegowiner, die versuchen, Bosnien-Herzegowina zu spalten und einen eigenen rein "kroatischen Landesteil" zu schaffen.

Bosnien-Herzegowina diskreditieren

Kroatische Politiker und Diplomaten nutzen seit ein paar Jahren jede Gelegenheit, öffentlich über das Nachbarland zu sprechen und ein Narrativ zu erschaffen, wonach Kroaten in Bosnien-Herzegowina benachteiligt seien. Kürzlich kam es auch zu einem Eklat im deutschen Bundestag, weil Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović dort über Bosnien-Herzegowina referierte, als habe Kroatien irgendeine Schutzmachtfunktion. Dem Dayton-Vertrag zufolge ist das nicht der Fall.

Die kroatische Propaganda war in den vergangenen Jahren sehr effektiv, weil auch viele westliche Medien auf das Thema aufsprangen und von angeblich steigendem Islamismus und einer Unterwanderung des bosnischen Islam durch arabische Strömungen in generalisierender und sensationalistischer Weise berichteten. Dahinter stecken auch politische Interessen: Nationalisten auf dem Balkan wollen seit 30 Jahren die Menschen nach religiös-ethnischen Kriterien trennen und homogene Nationalstaaten erschaffen – gerade deshalb versuchen sie dem multikulturellen Bosnien-Herzegowina als dem Gegenmodell schlechthin die Legitimität zu entziehen.

Nationalistische Allianz

Tatsächlich gibt es historische Kontinuitäten, die in die 1990er-Jahre zurückreichen. Damals kamen radikale arabische Wahhabiten über Zagreb nach Bosnien-Herzegowina, um dort aufseiten der Armee Bosnien-Herzegowinas zu kämpfen. Diese radikalen Islamisten schadeten schon damals dem Staat Bosnien-Herzegowina und sorgten auch nach dem Krieg noch für enormen Imageschaden, bis sie des Landes verwiesen wurden.

In Bosnien-Herzegowina haben kroatische und serbische Nationalisten seit ein paar Jahren eine Allianz geschmiedet und versuchen den Staat – wie in den Kriegsjahren – zu unterminieren. Im Jänner sorgte der kroatische Botschafter in Bosnien-Herzegowina, Ivan Del Vechio, bereits für einen Skandal, als er beim verfassungswidrigen Feiertag der Republika Srpska in Banja Luka mit Politikern auftrat, die eine Sezession des bosnischen Landesteils nach ethnischen Kriterien anstreben. Del Vechio wurde nach Auffliegen des Skandals nach Zagreb zitiert. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 18.3.2019)