Das Ensemble wechselt in "Lamento Allegro" zwischen Choreografien und Schauspiel.

Foto: Odeon / Helmut Krbec

Es soll im alten Ägypten einen Oasenmann gegeben haben, dem sein Esel von einem Besitzlosen gestohlen wurde. Der Oasenmann beschwerte sich daraufhin beim Herrn des Diebes. Zuerst wird er verprügelt, später aber hört man ihm – auf Raten des Pharao – zu. Seine Klagen trägt er so kunstvoll vor, dass der Herr auf Einspruch verzichtet.

Das Serapions Ensemble nimmt sich nun in Lamento Allegro die Klagen des Oasenmanns zur Vorlage, um auf der Bühne des Odeon hochpoetische Bilder über das Wesen der menschlichen Freiheit zu malen. Richtig, gesprochen wird wenig: Die vielschichtige visuelle Dramatik, die sich auf der Bühne zu Tonmontagen und Musik von Goran Bregovic abspielt, wird nur mit spärlich eingesetzten lyrischen Zitaten ergänzt.

Thespiskarren

Der Oasenmann reist hier durch eine zeitlose Welt. Diese entsteht in der kunstvollen Inszenierung von Max Kaufmann, Mario Mattiazo und Erwin Piplits direkt aus dem Gerümpel der Jahre und den Handlungen auf der Bühne. Das ist wörtlich zu nehmen: Ein schwer beladener Thespiskarren wird auf die Bühne gezerrt. Noch ist er zu schwer, um sich zu bewegen. Erst als der gestohlene Esel vor ihn gespannt wird, lässt er sich in Bewegung setzen.

Aus dem Gerümpel, mit dem der Karren beladen ist, zaubert das Ensemble malerische Choreografien, die mit Schauspiel verschmelzen. Riesige Stofftücher werden zu Säulen gespannt, die in der historischen Kolonnade des Odeon ein monumentales Bild ergeben. Kurz darauf fallen die Stoffsäulen in sich zusammen und schlingen sich um den erstarrten Oasenmann. Einige Kostüme stammen noch aus den Beständen der 2014 verstorbenen Bühnenbildnerin und Co-Theaterleiterin Ulrike Kaufmann. Dem Zuschauer erzählt die Bühne über die Gedankenwelt des Oasenmannes und über menschliche Universalgeschichte zugleich.

Das Auge denken lassen

Der Kopf darf sich dabei entspannen: Das Auge denken lassen ist das Motto des Serapions Ensemble. "Auf dem Rücken der Schildkröte / ein jedes Ding war schrecklich / auch die Freiheit", spricht der Oasenmann gegen Ende des Stücks. Und da versteht man erst, was das Auge schon vorher beobachten konnte: Je mehr sich der Oasenmann in seinen Klagen mit den anderen Menschen beschäftigt, desto mehr verliert er an seiner Freiheit. Das ist der Preis, um zu seinem Recht zu kommen. Ein anspruchsvolles und intelligentes Bildertheater. Tobender Applaus im Odeon. (Laurin Lorenz, 18.3.2019)