Die Autorin zerrt an sich selbst: Elfriede Jelinek in dreifacher Puppengestalt in ihrem eigenen Stück "Am Königsweg" in St. Pölten.

Alexi Pelekanos

Ein neuer Faschismus ist im Kommen, und (wir) alle schauen ratlos dabei zu. Darauf ließe sich die Grundaussage in Elfriede Jelineks Stück Am Königsweg zuspitzen. Der König, das ist Donald Trump, der im Text nie namentlich genannt wird und um den es im Kern auch weniger geht als um die Bedingungen, unter welchen er, ein selbstverliebter Geschäftsmann, Präsident einer "first" Weltmacht werden konnte.

Das ist starker Tobak, wie immer bei Jelinek, die sich ohne Unterlass in die zentralen Krisen unserer Gegenwart hineinschreibt. Zum Glück lässt die Autorin ihre eigene "alte Leier" (die sie im allerneuesten Stück Schnee Weiß sogar als Untertitel wählte) so selbstironisch und -kritisch abschnurren, dass sich jeder Regisseur nur die Finger abschlecken kann.

Auftritt der Muppets

Vorausgesetzt, er (oder sie) knickt vor den Textmassen nicht ein und hat ein schlüssiges Regiekonzept. Nikolaus Habjan, der die Österreich-Premiere von Am Königsweg am Landestheater Niederösterreich verantwortete, ließ seines Zeichens eine Schar Klappmaulpuppen aufmarschieren.

Seit Jahren ist Habjan mit seinen Puppen auf Erfolgskurs; die erste Jelinek-Puppe baute er 2013 für das Burgtheater. Nun inszeniert er selbst. Bei Am Königsweg hat er sich ganz auf die erste Regieanweisung eingelassen. Diese ist im Fall der hinsichtlich ihrer Interpretierbarkeit völlig entspannten Autorin lediglich als Bitte formuliert: "Figuren aus der Muppet Show" hätte sie gern.

Die blinden Seher

Da ließ sich Habjan nicht zweimal bitten. Kermit und Miss Piggy, Gonzo und Scooter sowie die mieselsüchtigen alten Logenabonnenten Waldorf & Statler entern die Bühne und führen Stimmen aller Couleur im Mund. Sie reden als christliche Hardliner, als bewunderndes Wahlvolk, als übereifrige Patrioten und manchmal scheinbar als sie selbst, als zur Unterhaltung verdonnerte Nervensägen. Geführt werden sie von Schauspielerinnen und Schauspielern des Landestheaters, die ihrerseits als "blinde Seher" ihre Auftritte haben und zudem mit drei Jelinek-Puppen zugange sind.

Tatsächlich war das Autorinnen-Ich noch in keinem anderen Jelinek-Text so präsent wie in Am Königsweg. Diesmal liefert sich Jelinek als "blinde Seherin" mit ans Messer. Ihrer Puppe werden in einer grausigen Szene gleich am Beginn die Augäpfel herausoperiert. Alle übrigen Spieler haben ebenfalls rot blutende Augen. Wir blicken also auf eine Welt, in der nichts mehr gesehen wird.

Eindimensionale Bilder

Die blinden Seher (Hanna Binder, Tim Breyvogel, Sabrina Ceesay, Bettina Kerl, Manuel Linshalm und Tilman Rose) streifen rund um ein mittig aufgebautes Oval Office (Bühne: Jakob Brossmann), das sich im Kreis dreht und in dem schließlich auch die Trump-Figur in realitätsnaher Optik wie ein Baby aus dem Schlaf erwacht. Später sitzen einander Jelinek und Trump auf der Couch gegenüber.

Und spätestens da wird das zentrale Problem dieser Inszenierung offenbar: Mit den überpräsenten Puppenfiguren geht zwangsläufig eine Verflachung der Thematik einher. Dort, wo Jelinek zwar Trump meint, weil er die dümmliche weiße Vorherrschaft repräsentiert, ihn aber zugleich nicht meint, da es ihr nicht um seine Person geht, sondern um das dahinterstehende System, dort wirkt ein Trump-Konterfei immer eindimensional.

Duellsituation

Die Inszenierung erklärt Jelinek und Trump (und überstrapazierend auch dessen Privatleben) zu Protagonisten, was eine seltsame figürliche Duellsituation ergibt. Sodass die eigentlichen Themen dahinter (also die Bedingungen des Faschismus), obwohl sie ausgesprochen werden, szenisch verdrängt werden. Habjan bleibt da zu sehr in einer Oval-Office-Muppet Show hängen, die zwar blutrünstig abläuft, aber die einen falschen Fokus ergibt. Nicht in den Büros wird Politik gemacht. Vielleicht besser doch nicht auf Jelineks Regieanweisungen hören? (Margarete Affenzeller, 17.3.2019)