Schon seit Wochen war spekuliert Wochen, seit Sonntag ist es fix: Deutsche Bank und Commerzbank haben den Beginn formeller Fusionsverhandlungen bestätigt. Die Verhandlungen sollen ergebnisoffen geführt werden, sicher ist es nicht, dass es zu einer Fusion kommt. Aber warum überhaupt die Verhandlungen, wo stehen die beiden wichtigsten Finanzinstitute, und welche Risiken gibt es für die Steuerzahler?

Frage: Warum kamen aus der deutschen Regierung Rufe nach einer Fusion?

Antwort: Schon lange gibt es den Wunsch nach einem "nationalen Champion" – einer starken deutschen Bank, die auch international wettbewerbsfähig ist und mit den großen chinesischen und US-Häusern dauerhaft mithalten kann. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte im August 2018 fest: Es sei ein Problem für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche, "dass die Banken (...) nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten".

Frage: Wo stehen Deutsche Bank und Commerzbank?

Antwort: In der Weltspitze spielen die beiden größten börsennotierten deutschen Banken seit geraumer Zeit nicht mehr mit. In der jüngsten Rangliste der Ratingagentur Standard & Poor's vom April 2018 liegt die Deutsche Bank nach der Bilanzsumme auf Platz 15, die Commerzbank rutschte auf Rang 54 – und die aktuellen Bilanzsummen der beiden liegen noch unter den damaligen Werten. Die ersten vier Plätze in dem Ranking belegen Institute aus China, noch vor der größten US-Bank JP Morgan Chase (Platz sechs), der HSBC als Nummer eins in Europa (Platz sieben) und der BNP Paribas (Platz acht) als führendem Institut im Euroraum. An der Börse ist die Deutsche Bank – immerhin Deutschlands größtes Geldhaus – aktuell gerade noch gut 16 Milliarden Euro wert, die Commerzbank rund neun Milliarden Euro.

Frage: Was sind die Probleme der beiden deutschen Großbanken?

Antwort: Der deutsche Bankenmarkt ist hart umkämpft, neben Privatbanken buhlen 384 Sparkassen und 875 Volks- und Raiffeisenbanken sowie etliche ausländische Institute um Privat- und Firmenkunden. Die historisch niedrigen Zinsen im Euroraum und hohe Regulierungskosten erschweren der Branche das Geldverdienen zusätzlich.

Bei der Deutschen Bank kamen hausgemachte Probleme hinzu, vor allem ein Berg juristischer Streitigkeiten, deren Beilegung Milliarden kostete und das Image des einst stolzen Branchenprimus beschädigte. Nach drei Verlustjahren in Folge hat die Deutsche Bank 2018 mit 341 Millionen Euro Überschuss gerade erst die Rückkehr in die Gewinnzone geschafft. In der Amtszeit von Bankboss Sewings brach der ohnehin schon schwache Aktienkurs um etwa ein Drittel ein, Ende Dezember 2018 war bei 6,68 Euro der historische Tiefststand erreicht.

Die Commerzbank hat im vergangenen Jahr zwar etwa zweieinhalbmal so viel verdient wie die Deutsche Bank (865 Millionen Euro), sieht sich bei ihrem seit Jahren laufenden Konzernumbau inklusive des Abbaus tausender Stellen aber auch noch nicht am Ziel.

Die Commerzbank hat im vergangenen Jahr deutlich mehr verdient als die Deutsche Bank.
Foto: AFP

Frage: Welche Kritik gibt es an einer Fusion?

Antwort: Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, warnte am Montag vor dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze bei den beiden Instituten. Bsirkse, der im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt, sagte der "Stuttgarter Zeitung", dass die beiden Banken sich nicht sinnvoll ergänzen würden. Vor allem im Bereich des Privat- und Firmenkundengeschäfts würde es zu erheblichen Überschneidungen kommen. Zudem würde eine Fusion zu einem drastischen Stellenabbau führen. "Da würden 20.000 Arbeitsplätze und mehr im Feuer stehen." Die langfristige Sicherheit der Jobs sei für Verdi jedoch ein entscheidendes Kriterium. Daher erwarte er "möglicherweise hochkontroverse Diskussion in beiden Banken". Verdi sitzt bei beiden Instituten in den Kontrollgremien.

Warnungen kommen aber auch von anderer Seite. Monopolkommissionspräsident Wambach sagte der "Rheinischen Post" am Montag, durch einen Zusammenschluss stiege alleine schon wegen der Größe eines neuen Instituts das Risiko im Finanzsystem. Die Finanzkrise 2008 habe deutlich gemacht, dass große Banken nicht ohne weiteres abgewickelt werden können und gegebenenfalls vom Staat gerettet werden müssen. Aus Wettbewerbssicht gab Wambach allerdings Entwarnung: "Einiges deutet darauf hin, dass die Kartellbehörden den Zusammenschluss, gegebenenfalls unter Auflagen, freigeben würden." Die Geschäftsfelder beider Banken würden sich entweder nur gering überschneiden oder seien spürbarem Wettbewerb ausgesetzt – "auch noch nach einer möglichen Fusion".

Frage: Welche Vorteile hätte eine Fusion?

Antwort: Vor allem die Kosten könnten auf Dauer sinken. Schon im Sommer 2018, als die Gerüchte hochkochten, hatte das Analysehaus RBC die möglichen Einsparungen auf 2,1 Milliarden Euro beziffert. Bei der Modernisierung der IT und beim Megathema Digitalisierung könnten die Institute Kräfte bündeln. Mit mehr als 30 Millionen Privatkunden und größeren Marktanteilen im Firmenkundengeschäft könnte ein größeres Institut bei der Preisgestaltung gegenüber der Konkurrenz punkten.

Frage: Was spricht gegen einen Zusammenschluss?

Antwort: Eine Fusion würde immens viele Arbeitsplätze kosten. Die Gewerkschaft Verdi rechnet im schlimmsten Fall mit dem Abbau von 30.000 Stellen, die Aktionärsvereinigung DSW sogar mit dem Rauswurf von bis zu 50.000 Mitarbeitern. Ende 2018 beschäftigten die beiden Institute zusammen gut 133.000 Vollzeitkräfte. Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung lässt sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen – und er wird erhebliche Kosten verursachen. Als weitere Hürde sehen Analysten einen möglicherweise sehr hohen Bedarf an frischem Kapital. Sollte das fusionierte Institut als systemrelevant eingestuft werden, würden Aufseher dickere Puffer für Krisenzeiten verlangen. Insgesamt sind die Zweifel groß, dass eine Fusion die Probleme lösen würde – zumal die beiden Banken viele überlappende Geschäftsfelder haben.

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Commerzbank-Boss Martin Zielke.
Foto: Reuters

Frage: Wie erfolgreich waren bisherige Großfusionen von Banken?

Antwort: Die Dresdner-Bank-Übernahme mitten in der Finanzkrise 2008 brachte die Commerzbank an den Rand des Abgrunds. Steuermilliarden retteten das Institut, das mit der Integration der kriselnden Dresdner Bank drei Jahre zu schaffen hatte. Bis heute ist der Bund mit gut 15 Prozent größter Anteilseigner der Commerzbank – und kann dieses Gewicht in der aktuellen Diskussion in die Waagschale werfen. Die Deutsche Bank wiederum hat die Integration der Postbank fast zehn Jahre nach deren Übernahme nicht bewältigt.

Es sei schwierig, Dresdner- oder Postbank-Übernahme als Erfolge zu bezeichnen, befand Stuart Graham vom Analysehaus Autonomous Research im August 2018: "Was macht Sie so sicher, dass eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ein Erfolg wäre?" Skeptiker befürchten, dass die Institute im Fall einer Fusion über Jahre mit sich selbst beschäftigt sein könnten – ausgerechnet in einer Zeit, in der aufstrebende Finanz-Start-ups sowie Tech-Konzerne wie Apple, Google und Co den Banken zunehmend Konkurrenz machen.

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Christian Sewing, der Chef der Deutschen Bank.
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Frage: Welchen Einfluss hat der Staat?

Antwort: Bei der Commerzbank hat der deutsche Staat über seine Aktienbeteiligung direktes Mitspracherecht. Aber auch die Möglichkeit, Druck auf die angeschlagene Deutsche Bank aufzubauen, ist nicht zu unterschätzen. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, der zuvor Deutschland-Chef von Goldman Sachs war, traf sich offiziellen Angaben zufolge allein im vergangenen Jahr fast zwei Dutzend Mal mit führenden Vertretern der Deutschen Bank.

Auf ungeteilte Zustimmung trifft solches Engagement freilich nicht. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte schon im September dem "Handelsblatt", er wäre "vorsichtig (...) damit, Zusammenschlüsse politisch zu forcieren. Sie müssen einer betriebswirtschaftlichen Logik folgen." Weidmann bekräftigte: "Wir haben nicht die Erfahrung gemacht, dass staatliche Einmischung dabei nützlich ist." (red, Reuters, 18.3.2019)