Obschon die zwei Werke in einem Abstand von weniger als zwanzig Jahren uraufgeführt wurden, trennen sie doch Welten: Antonín Dvořáks neunte Symphonie ist musikalische Romantik par excellence, Igor Strawinskys Le Sacre du Printemps eröffnete die Moderne kraftvoll und brutal.

Wie reiht man diese beiden Großwerke in einem Konzertprogramm? Mariss Jansons entschied sich bei seinem ersten von zwei Musikverein-Gastspielabenden mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks für die Reihenfolge Schönheit vor Schock. Opulenz, Vitalität und Sinnlichkeit kennzeichneten die Wiedergabe der Neunten: kalorienreiche, aber schmackhafte Klangkost aus der böhmischen Küche Kakaniens.

Holz in den Vollen

Jansons ließ die Zügel der Dynamik recht locker, die Münchner musizierten engagiert, die Streicher wogten hin und her wie ein Weizenfeld in einer Sommerbrise, äußerlich wie innerlich bewegt. Auch das Holz durfte bei kleineren Crescendi in die Vollen gehen. Doch dank der Agilität und der Elastizität des Musizierens wurde die Sache nie klotzig oder plump. Ein wundervolles Detail: das liebevoll modellierte Thema der Ersten Geigen in der Kopfsatz-Schlussgruppe. Wenn es Bayern München auch nicht in die Top 8 der Champions League geschafft hat: Dieses Orchester spielt europaweit ganz oben mit.

Lustvoll stürzten sich die Streicher beim Frühlingsopfer in die brachialen Stampfrhythmen. Da und dort wäre noch mehr Zuspitzung möglich gewesen; allzu gegenständlich wiederum die Nebelschleier in der Introduktion des Opfer-Teils. Kann man nach einer Erschütterung wie dem Sacre Zugaben geben?

Man kann – und zwar nach dem Prinzip Jukebox. Die Münchner betörten erst mit einer samtigen Valse triste von Sibelius und banalisierten dann das komplette Konzertgeschehen mit einem Galopp von Johann Strauß Sohn (Liebesbotschaft). Begeisterung auch dafür. (Stefan Ender, 18.3.2019)