Die Entdeckung des Seewegs nach Indien brachte dem Portugiesen Vasco da Gama Reichtum und Ruhm.

Illustr.: Livro das Armadas/Academia de Ciencias de Lisboa

Als hilfreich für die Navigation in unbekannten Gewässern erwies sich das nautische Astrolabium, eine Art drehbare Sternkarte, mit dem der Himmel in ebener Form nachgebildet werden kann.

Foto: David Mearns

Gegen Ende jener Ära, die wir heute als Mittelalter bezeichnen, wurde die Oberschicht Europas zunehmend unzufrieden. Die Machthaber und Vermögenden der damaligen Zeit waren bereits seit Jahrhunderten an Luxusgüter aus fernen Gestaden gewöhnt, doch unterlagen die Handelswege keineswegs ihrer Kontrolle. Seide und Gewürze gelangten bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Regel über die östlichen Mittelmeerhäfen, das Rote Meer und letztendlich über asiatische Karawanen an ihre Abnehmer in den Metropolen Europas – und diese Routen wurden großteils von islamischen Herrschern kontrolliert.

Kein Wunder also, dass immer mehr Souveräne in Europa bereit waren, ihr Geld in die Suche nach Handelswegen zu investieren, die sie unabhängig von nahöstlichen oder asiatischen Monarchen machen sollten. Im Zentrum des damaligen Interesses stand vor allem der Seeweg zu den Gewürzinseln Hinterindiens, mit deren Produkten sich in Europa besonders hohe Profite erzielen ließen.

Wettlauf um Macht und Reichtum

Mit anderen Worten: Die Suche nach einer marinen Route nach Indien glich damals einem europaweiten Rennen um Einfluss und Reichtum. Dabei verfolgten nicht alle Nationen dieselben Strategien. So unterstütze etwa das Königspaar Ferdinand II. von Aragón und Isabella I. von Kastilien zunächst eher widerwillig den Genuesen Christoph Kolumbus, der sich in den Kopf gesetzt hatte, auf der Westroute Indien zu erreichen – dass dessen "Misserfolg" dem vereinigten Spanien in weiterer Folge dennoch enormen Reichtum bescheren sollte, ist allgemein bekannt.

Der große Konkurrent Portugal dagegen hielt die Ostroute um Afrika herum für erfolgversprechender. Warum letztlich Vasco da Gama als Oberbefehlshaber für die erste Reise nach Indien ausgewählt wurde, ist bis heute nicht völlig geklärt. Möglicherweise lag es daran, dass schon sein Vater als bedeutender Verfechter der Suche nach dem Seeweg nach Indien um Afrika herum gegolten hatte. Fakt ist jedenfalls, dass da Gama, nicht gerade der erfahrenste Seefahrer seiner Zeit, am 8. Juli 1497 mit seiner Flotte den Hafen Restelo in Lissabon verließ und nach der Umschiffung der Südspitze des Schwarzen Kontinents am 20. Mai 1498 schließlich an der indischen Malabarküste vor Anker ging.

Dieser Moment gilt heute als historisches Ereignis: Zum ersten Mal hatte ein europäisches Schiff auf dem Seeweg um Afrika herum Indien erreicht. Der Erfolg ist zum einen den besten Steuerleuten Portugals zu verdanken, die für diese Expedition angeheuert worden waren. Zum anderen kamen bei dieser Reise offenbar die modernsten Navigationsgeräte der damaligen Ära zum Einsatz.

Rekord-Navigationshilfe

Dass wir heute von diesen Instrumenten wissen, liegt an einem spektakulären Fund, der 2014 im Osten der Arabischen Halbinsel gelang. Unterwasserarchäologen bargen vor fünf Jahren vor der Küste des Sultanats Oman eine auf den ersten Blick unscheinbare Bronzescheibe aus dem Wrack der Esmeralda, die Teil der Flotte von Vasco da Gamas zweiter Reise Richtung Indien war und im Mai 1503 gesunken ist.

Aktuelle Untersuchungen des Artefakts durch ein Team um Mark Williams von der britischen Universität von Warwick identifizierten die Scheibe nun mittels 3D-Lasertechnik als Astrolabium aus dem Zeitraum zwischen 1496 und 1501. Am Rand der Scheibe, die das Wappen Portugals und des portugiesischen Königs trägt, fanden die Forscher feine Linien, die ihre Funktion als Gerät zur Bestimmung der Sternhöhen letztlich bestätigten. "Diese Art von Technologie ermöglicht uns ein besseres Verständnis dafür, wie die Scheibe im 15. Jahrhundert funktioniert hat", meint Williams. Als ältestes seiner Art fand dieses Astrolabium nun sogar Eingang in das Guinness-Buch der Rekorde. (Thomas Bergmayr, 19.3.2019)