Berufliches Telefonat, während die Milchpumpe läuft – die Serie "Workin' Moms" setzt neue Standards.

Foto: Screenshot YouTuber/Trailer

Gleich zwei Netflix-Serien beschäftigen sich derzeit mit einem verdammt harten Lebensabschnitt. Zumindest für viele der Frauen, die eben Mutter geworden sind. Sowohl in "Milcheinschuss" als auch in "Workin' Moms" geht es um die ersten Monate und Jahre mit einem Baby, um das Chaos, die Anstrengung, um die Ambivalenzen der brandneuen Lebenssituation.

Doch noch etwas schwingt da in den dargestellten Gesprächen zwischen Freundinnen und in Stillgruppen mit: der Gestus eines brutalen Tabubruchs. Endlich spricht es wer aus! Dass die Wochenbettdepression arg ist, die Brust wund und das Binden von Tragetüchern mit einem Baby in einem Arm und dem hässlichen Ding im anderen schlicht unmöglich ist. Das mag vielleicht hier und da recht drollig sein, doch einer Lockerung des engen Mamikorsetts kommt das nicht einmal im Geringsten nahe.

Abpumpen im Office

Im Gegenteil. Vor allem in "Workin' Moms" bewegen sich die frischgebackenen Mütter derart brav in dem für sie vorgesehenen Rahmen, dass es wehtut. Da haben wir zum Beispiel Kate und Jenny, die gerade wieder in ihre Jobs zurückgekehrt sind. Ihre rund sechs beziehungsweise acht Monate alten Babys werden daheim von der eigenen Mutter oder dem Mann betreut, so weit, so gut. Doch die Lohnarbeits-Moms (wie es eigentlich richtig heißen sollte, schließlich haben sie in ihrer Karenz auch gearbeitet) wollen ihrem Sonnenschein freilich trotzdem nicht ihre Muttermilch vorenthalten. Somit muss sich die elendig lang dauernde Abpumperei im Büro auch noch ausgehen. Es wird nicht mal eine Sekunde zur Debatte gestellt, ob das Kind nach einem halben Jahr Vollstillens womöglich Pre-Milch überlebt. Nein, in die Aktentasche muss jetzt auch noch die sperrige Milchpumpe – als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.

What's on Netflix

Ein Nein zum Chef kommt ihnen freilich auch nicht über die Lippen. Schließlich will man sich mit dem übereifrigen Kollegen matchen, für den Freizeit offenbar keine Kategorie ist. Meeting um fünf? Kein Problem, Boss, ich werde da sein. Wie das zu bewerkstelligen ist, bleibt natürlich ihr Problem. Und so rennen sie wochentags durchs Büro und am Wochenende im Laufdress mit Affenzahntempo durch den Wald – der Kinderwagen rast auch mit.

Neue hohe Ansprüche

Während Kate in der Stillgruppe zwar einerseits selbst verzweifelt fragt, wie zur Hölle sich das alles ausgehen soll, macht sie es andererseits allen anderen bravourös vor. So jubeln Working-Moms-Serien und -Filme den Seherinnen lässig und nebenbei neue hohe Ansprüche unter.

Die immer selbstverständlichere Entgrenzung der Lohnarbeit, die unsolidarischen kinderfreien Kollegen und Kolleginnen, die 70 Stunden in ihre 40-Stunden-Job investieren, ohne etwas dafür zu fordern. Der Chef, der sich offenbar noch nie um etwas anderes als um seine Karriere kümmern musste: All das bleibt unkommentiert. Hauptsache, man kann in der Stillgruppe endlich laut aussprechen, dass Baby-Yoga Blödsinn ist. (Beate Hausbichler, 19.3.2019)