In Bobadilla ist nicht viel los.

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Die Einwohner des Dorfes in der spanischen Provinz Málaga hoffen darauf, dass sich dies durch das von Virgin Hyperloop One geplante F&E-Zentrum ändern wird.

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Eine Ankündigung im August 2018 hat ein andalusisches Dorf in Aufregung versetzt: Der Hyperloop kommt nach Bobadilla. Man wolle dort das europäische Forschungszentrum für die Zukunftstechnologie errichten, hieß es vonseiten Virgin Hyperloop One. Es solle "auch der Kommerzialisierung des Patents auf dem Alten Kontinent dienen". Komponenten und Subsysteme sollen hier entwickelt und auf Praxistauglichkeit geprüft werden, bis zur Marktreife.

Für die knapp 450 Millionen Euro an Investitionsgeldern, die Virgin auf den Tisch legen will, sollen auch 126 Millionen Euro Staatsmittel, primär über Kredite und Subventionen, fließen. Im März dieses Jahres hätte die Adaption der riesigen Industriehalle bei Bobadilla, die einst den Talgo-AVE-Hochgeschwindigkeitszügen (span. Alta Velocidad Española) diente, beginnen sollen.

Doch noch ist es gespenstisch still, das Areal umzäunt, kein Hinweis auf den Hyperloop ist erkennbar. Auf Anfrage bei Luis González, Hyperloop-One-Koordinator in Spanien, dessen Team auch in der Hyperloop One Challenge mit einer Trassenplanung von Madrid nach Tanger (Marokko, über Algeciras) weltweiter Finalist war, heißt es, "man wäre in der Abschlussphase der Studie und leider könne er vom Stand August 2018 nur wenig Neues berichten". Am Vorhaben, an dem ab 2020 bereits rund 200 bis 300 Mitarbeiter auf dem 19.000 Quadratmeter großen Areal tüfteln werden, halte man fest.

Speerspitzen und ...

Auch bei ADIF (span. Administrador de Infraestructuras Ferroviarias), dem Besitzer der künftigen Hyperloop-Halle, gibt man sich auf Anfrage wortkarg, lässt aber durchsickern, dass es in der finalen Phase zum Startschuss noch um die Gewährung der Staatsmittel gehe. ADIF wolle an der Speerspitze bei der Entwicklung der neuen Technologie mitwirken, bekräftigt man. Baut und wartet man doch Hochgeschwindigkeitszugtrassen weltweit: "Das Hyperloop-Zentrum wird hochwertigen Wirtschaftszweigen um Antequera Aufwind geben und das Wachstum ankurbeln", ist man überzeugt.

Rob Lloyd, Virgin-Hyperloop-One-CEO, lobt Andalusiens Industriesektoren für Transport, Luftfahrt und Hightech, "in denen die südspanische Region Weltruf genieße". Man wolle auf "das große Ökosystem an Zulieferfirmen vor Ort aufbauen". Hauptaugenmerk der Bobadilla-Anlage soll dabei auf die Sicherheit des Hyperloops gerichtet sein.

"Sicherheit ist die Top-Priorität", unterstreicht Hyperloop-One-Mitgründer und -Technologiechef Josh Giegel. Am Andalusien-Standort "werde man einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die ersten Projekte an Kunden ausliefern zu können und den zukünftigen Bedarf an Hyperloops weltweit zu decken", unterstreicht er.

... gebremste Euphorie

Im 480-Seelen-Dorf Bobadilla, in der geografischen Mitte Andalusiens, bremst man noch die Euphorie. Zu oft wurde man hier enttäuscht. "Seit 15 Jahren verspricht man uns hier einen Logistik-Hub, einen 'Trockenhafen' für den Container-Umschlag. Bis heute hat sich nichts bewegt", sagt José Pachecho (60) zum STANDARD.

Er bedient den Ticketschalter der Renfe (span. Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles), bei der er seit über 43 Jahren angestellt ist. 1976, noch zur Zeit der Franco-Diktatur, trat er in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters. Seit 1983 ist er durchgehend in Bobadilla: "Von einst über 400 Renfe-Angestellten um 1980 arbeiten heute nur noch 20 hier", sagt er.

Auch der mit EU-Mitteln finanzierte Ausbau des südlichen Mittelmeer-Bahnkorridors nach Algeciras steht, nicht zuletzt wegen der Unwetterschäden vom vergangenen Oktober, am Abstellgleis. Der Bahnhof selbst stand metertief unter Wasser. Von vier Gleisen ist bislang nur eines wieder instand gesetzt.

Eisenbahngeschichte

Um Punkt 17.14 Uhr kommt dann doch kurz etwas Bewegung auf. Ein Regionalzug aus Málaga nach Sevilla Santa Justa trifft ein. Die Dieselgarnitur lässt ein halbes Dutzend Passagiere ein- und aussteigen und setzt sich prompt wieder in Bewegung. Der einst wichtige Knotenpunkt der Linien vom Mittelmeer, Málaga, aber auch Algeciras und Gibraltar an der gleichnamigen Meerenge, nach Madrid, aber auch Sevilla, Córdoba und Granada war seit den Anfängen des Schienenverkehrs ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Jahrtausendwende elementar.

Legendär sind die teils vor über 130 Jahren unter britischer Ägide errichteten Trassen, ingenieurtechnische Meisterleistungen, die durch die landschaftlich spektakuläre enge Schlucht bei El Chorro oder entlang des wilden Río Guadalfaro durch das "grüne Andalusien" führen. "In den 1980ern und 1990ern gab es enorm viel Fracht- und Passagieraufkommen hier, die Abendstunden waren Stoßzeiten. Dann ging es langsam aber unaufhörlich bergab", sagt Pacheco: "Mit dem Fehlen der Züge fehlte Arbeit." Durch Landflucht verwaiste das Dorf.

Entrüstet ist Pacheco über "die krasse Fehlentscheidung", Bobadilla aus dem AVE-Netz auszuklammern. Die Trasse verläuft in Sichtweite: "Renfe und die Regierung interessiert nur der AVE. Wo kein AVE fährt, dort sind die Trassen und der Service auf Drittweltniveau, wie in der Extremadura und in Kastilien." Seit die AVEs einen Bogen um Bobadilla machen und drei Kilometer entfernt inmitten weitläufiger Olivenhaine bei der Station Antequera Santa Ana halten, fahren nur sechs Regionalzüge täglich durch Bobadilla. Für die junge Generation hofft Pacheco darauf, dass das geplante Hyperloop-Zentrum "Perspektiven und vor allem Arbeitsplätze bringt".

Hoffen auf Renaissance

Sein Kollege, der ADIF-Verkehrsleiter am Bahnhof, Jorge Serrano Sanzo (59), trat 1977 in die Renfe ein. Auch er entstammt einer Familie von drei Generationen an Eisenbahnern. Eine seiner Töchter arbeitetet ebenso bei der Renfe: "Die Station hat jeden Tag weniger Perspektiven. Wir sind dem Untergang geweiht", konstatiert er. Was das Thema Hyperloop betrifft, glaubt er nach wie vor "an eine Sommerloch-Meldung".

Juan Jose Corado Madrigal weiß mehr. Er, Mitte 50 und Inhaber der Bar-Cafeteria vis-à-vis dem Bahnhof, bekräftigt: "Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Industriehallen schon an Hyperloop One vermietet sind." Nun gebe es kein Zurück mehr. Er selbst hat über eine Dekade für die Renfe gearbeitet: "Als 15-Jähriger verkaufte ich hier Sandwiches an Zugreisende während des Zwischenstopps, der bis zu einer halben Stunde dauerte", erinnert er sich an die "goldene Ära" der Eisenbahn in Bobadilla, während er, auch für seine Kinder, auf eine Renaissance durch den Hyperloop hofft. (Jan Marot, 20.3.2019)