Im Straßenbild zahlreicher spanischer Städte sind die "Glover" genannten Kuriere des Zustelldiensts Glovo allgegenwärtig.

Foto: Jan Marot

Mit ihren gelben Transportkisten auf dem Rücken flitzen sie unentwegt durch Spaniens Städte: "Glover" genannte Fahrrad- und Mopedkuriere. Sie liefern dabei binnen maximal einer halben Stunde, was der Kunde will.

Ähnlich dem Taxidienst Uber setzt das 2015 gegründete Start-up Glovo aus Barcelona auf Geolokalisierung. Der User wählt seinen nächsten Kurier über die Landkarte in der App aus, kann die gewünschte Route wählen und dem Zusteller in Echtzeit folgen. Bestellt werden kann so gut wie alles, was nach Gewicht und Größe in die Box passt.

Das Unternehmen beschäftigt aktuell rund 800 Mitarbeiter, wobei die Arbeit selbstständige Kuriere leisten. Primär fungiert man dabei als Essenszustelldienst, auch dank Investoren großer Franchiseketten wie McDonald's (McDelivery wird von Glovo in Spanien und Italien betrieben).

Auf der Iberischen Halbinsel ist die polnisch-spanische Amrest-Gruppe mit 1600 Restaurants mittlerweile mit zehn Prozent am Glovo-Kapital beteiligt und führt eine Fülle namhafter Ketten (u. a. KFC, Pizza Hut, Starbucks) als Dachunternehmen.

Aber auch der japanische Internethändler Rakuten setzt auf das katalanische Unternehmen. Ebendieses Kapital großer Konzerne, aber auch von Investmentfonds wie Cathay Innovation, das sukzessive in Investmentrunden lukriert wird, ist neben der grundlegenden Idee und aggressivem Marketing die Basis für das rasante Wachstum.

Großinvestoren an Bord

Oscar Pierre, der die Firma als 22-Jähriger 2015 aus der Taufe hob, expandierte noch im selben Jahr von Barcelona nach Madrid und Valencia. Die ursprüngliche Idee zielte dabei auf eine Nische ab, nämlich die Zustellung von Luxusgütern für wohlhabende User.

Doch der Markt war zu klein, also ging man in die Breite, Geschäfte, Apotheken, Supermärkte – doch der wirtschaftliche Erfolg fand sich in der Essenszustellung. Etwa 70 Prozent der Einnahmen fußen in Kommissionen der Geschäfte (wie auch bei anderen Onlinediensten, etwa Booking.com).

2017 führte Interbrand die Glovo-App im Ranking der 40 Anwendungen, die die Welt verändern. 2018 machte man etwa 90 Millionen Euro Umsatz, erwirtschaftete in Spanien, Portugal und Italien schwarze Zahlen und köderte weitere Investoren. Das erlaubt massive Werbe- und Imagekampagnen oder auch eine Medienkooperation mit der potenten Atresmedia-Gruppe in Spanien.

Hungrig auf mehr

Aber auch, dass Glovo 2019 seine globale Expansion quasi ungebremst fortsetzen wird. Zuletzt mit einem Fokus auf die bevölkerungsreichen Ballungsräume der Schwellenländer in Lateinamerika und Afrika.

Mit März 2019 ist das Unternehmen zum Beispiel auch in Nairobi präsent. In Europa bedient man neben Spanien, Italien und Frankreich auch Portugal, Rumänien, aber auch die Türkei, Georgien oder etwa Kiew. In Österreich muss man sich noch wohl ein wenig gedulden, bis Glovo landet.

Auf STANDARD-Anfrage will man sich zu Plänen für den deutschsprachigen Raum nicht äußern. Es ist aber gut möglich, dass man bereits auf die Übernahme eines Mitbewerbers schielt. Über den viertgrößten Player im Delivery-Geschäft Foodinho stieg Glovo etwa in Mailand ein. "Wir versuchen immer Mitbewerber zu übernehmen", sagte Oscar Pierre zu El País (Uruguay) in einem seiner seltenen Interviews. Sein Ziel: "Glovo muss im Zuge der Konsolidierung der Branche auf jedem seiner nationalen Märkte zu den Top zwei zählen."

Inspektionskampagne

Doch nicht nur in Spanien wird die Firma wiederholt kritisiert – in erster Linie wegen der prekären Beschäftigungssituation der Glover. Zahlreiche Ex-"Mitarbeiter" klagten, mitunter erfolgreich, und setzten Präzedenzfälle. Rückwirkend werden spanische Glovo-Kuriere nun bei der Sozialversicherung angemeldet – was erhebliche Kosten aufwirft.

Zugleich startete die Regierung eine Inspektionskampagne gegen sogenannte "falsche Selbstständige". Wobei in Spanien damit all jene gemeint sind, die ihr Einkommen zur Gänze oder fast zur Gänze von nur einem Kunden erhalten – die dadurch bei Sozialausgaben deutlich an Beschäftigungskosten sparen konnten.

Nicht überall ist das Unternehmen nachhaltig erfolgreich. Aus Brasilien zog es sich Anfang 2019 wieder zurück: Der Konkurrenzdruck sei zu hoch, hieß es. (Jan Marot, 25.3.2019)