Der neue Service kann das Leben vereinfachen – sofern man eine Postbox im Haus hat.

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"Sehen S', Herr Pichler, ich fürcht' mich ja nicht so leicht", erklärte mir meine Nachbarin, als sie mir letztens ein Paket überreichte. "Aber der Lieferant hat ausgesehen, wie man sich einen Terroristen vorstellt. Dunkel und mit langem Zottelbart. Gebrochenes Deutsch. Aber er war sehr nett." Frau E., Wienerin mit Herz und Seele und Urgestein des Wohnhauses, ist mein Rettungsanker für Online-Bestellungen. Sie ist in ihren 70ern, fast immer daheim und – so sagt sie – nimmt auch gerne meine Sendungen für mich in Verwahrung. Und ich muss nur an ihrer Türe am anderen Ende des Stockwerks anklopfen, statt zur Postfiliale oder dubiosen Paketshops zu marschieren.

Zumindest war das so, bis Amazon im Herbst die Zustellung in Wien auf seinen eigenen Dienst umstellte. Denn seitdem unter der "Amazon Logistics"-Flagge verschiedene Logistikfirmen die Lieferungen übernehmen, kommen nicht mehr die zwei Postmitarbeiter (und gelegentlich DHL), die sonst wechselweise das Grätzel bedienen. Wenn ich wüsste, dass eine Sendung kommt, möge ich sie vorab informieren, meinte Frau E. unlängst. Ein schwieriges Unterfangen, denn Zustellankündigungen und Trackinglogs sind nur mäßig zuverlässig. Der neue Service der Post, "Alles Post", verspricht hier Abhilfe.

Post übernimmt Endzustellung

Das Prinzip hinter dem Dienst ist einfach. Statt eine Sendung vom Onlinehändler der Wahl an die eigene Adresse schicken zu lassen, erhält man eine eigene Zustelladresse der Post. DHL, GLS, Hermes, Amazon Logistics und Co. steuern dann in Zukunft eines der sieben in Österreich betriebenen Logistikzentren der Post an. Von dort übernimmt diese dann die Zustellung. Es ist die offensichtliche Reaktion der Post auf die Eigenlogistik von Amazon und den Ärger, den einige Kunden damit vor allem zu Beginn hatten.

Das ermöglicht die Verwendung von Briefkästen und, sofern vorhanden, von Paketboxen. Ebenso lassen sich im Rahmen der anderen Services der Post, der Wunschablageort konfigurieren oder bestimmte Nachbarn angeben, an die bei Nichtantreffen zugestellt wird. Alternativ sind Sendungen sonst wie gewöhnlich aus der Postfiliale zu holen, die in meinem Falle näher liegt, als die meisten Paketshops. Zudem bietet meine Poststelle auch eine Abholstation, bei der man Sendungen rund um die Uhr abholen kann.

Komfortablere Abholung, längere Lieferzeit

Bei mehreren Bestellungen klappte das alles gut. Ein Paket landete in der Postbox, zwei weitere in der Filiale. Einfluss nehmen auf die Zustellzeit kann man nicht. Die Pakete selber in Empfang nehmen kann ich also nur selten. Meist kommt der Postbote um die Mittagszeit vorbei, wenn ich zwecks Arbeit außer Haus bin.

Es gibt allerdings auch einen klaren Nachteil von "Alles Post". Die Reisedauer von Paketen verlängert sich um einen Tag. Denn die Anlieferung beim Post-Verteilzentrum geschieht zu üblichen Lieferzeiten, also zwischen spätem Vormittag und Abend. Folglich ist diese Verzögerung nicht zu vermeiden. Wer seine Sendung dringend schneller benötigt, muss also weiterhin entweder bei der Zustellung anwesend sein, auf freundliche Nachbarn hoffen oder rechtzeitig den Paketshop aufsuchen.

Nicht ganz billige "Fair Use"-Abos

Das Preismodell von "Alles Post" erscheint allerdings gewagt. Nach drei kostenlosen Monaten kann man den Service entweder quartalsweise für 14,90 Euro oder als Jahresabo für 39,90 Euro buchen. "Abonnement" bedeutet allerdings verwirrenderweise nicht, dass man beliebig viele Sendungen über die Post umleiten lassen kann. Mit ersterem Angebot werden zehn Sendungen abgedeckt, in der Jahresvariante sind es 40. Der Preis pro Sendung beläuft sich damit auf knapp 1,50 bzw. einen Euro.

Allerdings handelt es sich laut Angabe um ein "Fair Use"-Kontingent. Gegenüber dem STANDARD heißt es seitens der Post, dass man kleinere Überschreitungen toleriere und bei größerer Überziehung Kontakt mit dem Kunden suche.

Nicht fürs neue Sofa

Angenommen wird alles, was die Post im Rahmen ihres Regelbetriebs zustellt – maximal Paketmaß und bis zu 31,5 Kilogramm Gewicht. Wird dies überschritten, lehnt man die Annahme ab und informiert den Kunden. Das neue Wohnzimmersofa wird also weiterhin mit der Spedition ankommen. Derlei Fälle habe es bislang aber kaum gegeben, so das Unternehmen.

Mit der bisherigen Annahme des Service zeigt man sich zufrieden. Auf 22.000 Voranmeldungen sind bisher etwa 5.000 aktive Nutzer gefolgt, obwohl man bislang keine groß angelegte Werbekampagne gestartet hat. "Der Bedarf ist definitiv da", schätzt man.

Fazit

Ob mir auch nach Ablauf des Gratistests die Post-Lieferung den Aufpreis wert ist, wird sich noch zeigen. Die Umweltbilanz für den Umweg meiner Sendungen dürfte eher zweifelhaft sein.

Und da die meisten Paketshops für mich zu Fuß gut erreichbar sind, sind die Vorteile für mich auf die Postbox und 24-Stunden-Abholmöglichkeit begrenzt. Und auf den Seelenfrieden von Frau E., der sich wiederum schwer in Geld messen lässt. Zumindest zweieinhalb Monate lang sei er ihr noch gegönnt. (Georg Pichler, 7.4.2019)