Kunden sollen vor allem bei Anlageprodukten in Zukunft besser bedient und geschützt werden. Zum Großteil ist dies gelungen.

Illustration: Davor Markovic

Nicht nur die Banken sehen sich seit der Weltfinanzkrise 2008 mit deutlich verschärften Regulierungen konfrontiert. Auch in der Versicherungsbranche wurde der Verbraucherschutz durch die Versicherungsvertriebsrichtlinie, die Insurance Distribution Directive (RL 2016/97/EU, kurz IDD), gestärkt. Mit zahlreichen neuen Formularen und Umstellungen der internen Prozesse haben sich Versicherungsunternehmen und Vermittler für die Umsetzung gerüstet. Und auch für die Kunden hat sich einiges geändert.

Verankert wurde der Best-Interest-Ansatz, somit müssen Versicherer und Vermittler – Letztere waren bisher schon zur Best Advice verpflichtet – ehrlich, redlich und professionell im besten Interesse des Kunden handeln und sich an verschärfte Wohlverhaltensregeln halten.

Verpflichtende Beratung

Der Kunde ist verpflichtend zu beraten, und das angebotene Produkt muss seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Diese Beratungspflicht gilt unabhängig vom Vertriebskanal, egal ob die Versicherung direkt, online (z. B. über Vergleichswebsites) über einen Agenten oder Makler angeboten wird.

Der Versicherer bzw. der Vermittler muss dem Kunden die auf dessen Bedürfnisse und Situation passende, für ihn zugeschnittene Versicherung anbieten. Vor der Beratung sind die Wünsche und Bedürfnisse etwa anhand konkreter Fragen, die der Kunde beantwortet, zu ermitteln. In der Folge ist zu erheben, welches Produkt den Erwartungen und Bedürfnissen des Kunden (unter Berücksichtigung der Komplexität des Produkts) am besten entspricht.

Es zählt das Risikoprofil

Will der Kunde ein Versicherungsanlageprodukt wie etwa eine fonds- oder indexgebundene oder kapitalanlageorientierte Lebensversicherung erwerben, gilt der höchste Kundenschutzstandard. Einzuholen sind etwa Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen im Anlagebereich und über die finanzielle Situation des Kunden.

Hiernach ist zu klären, ob das Angebot den Wünschen, Bedürfnissen, Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden hinsichtlich des speziellen Produkttyps, seiner finanziellen Verhältnisse, etwa der Risikotragfähigkeit, sowie seiner Anlageziele am besten entspricht – und daher auch angemessen oder geeignet ist. Somit spielt die Risikoprofilierung des Kunden in Zukunft eine entscheidende Rolle.

Auf eigene Produktpalette beschränkt

Auf Basis der Kundenangaben wählt das Versicherungsunternehmen bei einer Direktversicherung eines oder mehrere passende Versicherungsprodukte aus. Die Auswahl kann auf die Produktpalette dieses Versicherungsunternehmens beschränkt sein. Versicherungsunternehmen können daher nur anhand ihrer eigenen Produktpalette beraten.

Schließt der Kunde über einen Vermittler ab, muss dieser auf Basis einer ausgewogenen und persönlichen Untersuchung tätig werden. Der Vermittler muss den nach den Umständen des Einzelfalls bestmöglichen Versicherungsschutz auf Basis einer ausgewogenen Analyse vermitteln. Die Analyse und Interessenwahrung kann sich aus sachlich gerechtfertigten Gründen auf bestimmte örtliche Märkte – etwa Österreich – oder bestimmte Versicherungsprodukte beschränken, wobei dies dem Kunden vorab ausdrücklich bekanntzugeben ist.

Welches Produkt ist geeignet?

Auf Basis der erhobenen Kundenwünsche und Bedürfnisse hat der Vermittler ein entsprechendes Vertragsanbot zu erstellen. Bei der Produktauswahl stellt sich immer die Frage, welches ist das für den Kunden am besten geeignete Produkt? Denn nur dieses darf angeboten werden.

Letztlich soll der Kunde durch die Beratung in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob das jeweilige Produkt für ihn geeignet ist.

Damit die Beratung optimal verläuft, müssen Vertriebsmitarbeiter und Vermittler sich jährlich umfangreich weiterbilden. Denn bei fehlerhafter Beratung und/oder unvollständiger vorvertraglicher Informationsweitergabe an den Kunden, sofern dem Kunden hieraus ein Schaden erwächst, sind Haftungsfolgen denkbar.

Passend für die Zielgruppe

Schon vor dem Vertrieb muss jede Versicherung, die auf den Markt kommt, ein internes Freigabeverfahren durchlaufen und auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden. Nur an diese Zielgruppe darf diese Versicherung in der Folge vertrieben werden, dies muss (meist) der Versicherer – und in Ausnahmefällen auch der Makler – sicherstellen. Ob die Versicherung auch auf die richtige Zielgruppe ausgerichtet ist, ist regelmäßig zu überprüfen. Werden produktbezogene Umstände bekannt, die nachteilige Auswirkungen auf den Kunden haben, muss der Vermittler den Versicherer informieren, der seine Vertriebsstrategie ändern muss.

Wichtig bei der Neueinführung

Die Auswirkungen dürften sich derzeit (noch) in Grenzen halten, greift doch die Pflicht zur Produktkalibrierung nur bei der Neueinführung von Produkten oder bei wesentlichen Änderungen bestehender Produkte.

Zur Schaffung eines Level-Playing-Field sind umfangreiche (vorvertragliche) Informationen vorgeschrieben. Diese beziehen sich zum einen auf den Versicherer und Vermittler, zum anderen auf das Produkt. Gerade die produktbezogenen Informationspflichten / Produktinformationsblätter (in der Branche als IPID oder im Lebensversicherungsbereich als LIPID bekannten Formulare) erleichtern die Vergleichbarkeit der einzelnen Versicherungsprodukte erheblich, weil das Unionsrecht Aufbau, Format und Ausgestaltung detailliert geregelt hat.

Interessenkonflikte

Ein heißdiskutiertes Thema waren Provisionen, die an Berater und Vermittler bezahlt werden. So wies die Europäische Kommission auf Interessenkonflikte bei der allgemeinen Vergütung von Versicherungsvermittlern hin.

Verpönt sind daher Incentives, die mit dem Verkauf bestimmter Produkte verbunden sind und so einen Anreiz schaffen, der nicht dem Kundeninteresse dient. Demnach ist es untersagt, Anreize vorzusehen, damit ein bestimmtes Produkt einem Kunden empfohlen wird, obwohl ein anderes Produkt besser für ihn geeignet wäre.

Interessenskonflikte vermeiden

Provisionen können weiterhin bezahlt werden, sofern die Vergütung nicht mit der Pflicht kollidiert, im besten Interesse des Kunden zu handeln. So sind vorrangig Interessenkonflikte zu vermeiden oder Mitigation zu erreichen. Ist dies nicht möglich, ist eine Offenlegung gegenüber dem Kunden geboten.

Die Umsetzung der IDD hat zu weitreichenden Verbesserungen für die Kunden geführt. Bei einzelnen Versicherungen, etwa Sachversicherungen, stellen sich die weitreichenden Informations- und Informationseinhaltungspflichten aber aus Sicht der Praxis als überbordend dar. So ist der Durchlauf des standardisierten Informations- oder Vertriebsprozesses etwa bei Abschluss einer Handy- oder Kfz-Versicherung auch für den Kunden eine Herausforderung.

Insgesamt aber wurde der Kundenschutz, insbesondere beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten, spürbar angehoben. (Andrea Harrich, Wirtschaft & Recht Journal, 31.3.2019)