Jovo Martinović recherchierte jahrelang Kriegsverbrechen im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina und kriminelle Netzwerke.

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Von Freunden wird der Mann mit der sanften Stimme und dem ruhigen, zurückhaltenden Auftreten als einer mit einem "harten Kern" beschrieben, einer, der einen nicht zu irritierenden inneren Kompass besitzt. Jovo Martinović (45) ist jedenfalls unbeugsam, wenn es darum geht, Distanz zu Mächtigen zu halten, was ihm zuletzt zum Verhängnis wurde. Er ist der einzige montenegrinische Journalist, der hauptsächlich mit internationalen Medien, etwa dem Economist und der Times, zusammenarbeitet und als äußerst weltgewandt gilt, obwohl er aus dem kleinen Adria-Staat kommt. Vielleicht hält er sich gerade deshalb von vielen fern, weil er in Montenegro, dem idealen Biotop für balkanische Verhaberungen, groß geworden ist.

Heute, Mittwoch, erhält er in Wien den Press Freedom Award 2019 von Reporter ohne Grenzen. "Wir wollen damit auch jene in Montenegro bestärken, die unabhängig, kritisch und investigativ recherchieren und berichten", so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen. In Montenegro nehmen die Attacken auf Journalisten tatsächlich seit Jahren zu. Für Journalisten wird es auch schwieriger, ihre Arbeit zu erledigen, weil ein neues Gesetz zur Informationsfreiheit den Behörden die Möglichkeit gibt, alles Mögliche als "vertraulich" einzustufen und die Auskunft zu verweigern, moniert Martinović.

Durch Zufall

Er selbst wurde "durch Zufall" Journalist, wie er sagt. Als die Nato vor genau zwanzig Jahren im Kosovo intervenierte, nahm er einen Job als Übersetzer für das britische Fernsehproduktionsunternehmen ITN an. Er arbeitete mit dem amerikanischen Journalisten Daniel Pearl zusammen, der später in Pakistan enthauptet wurde. Kurz darauf wurde ihm angeboten, in einer Einheit für investigativen Journalismus für das US-amerikanische Radio NPR mitzuarbeiten.

Seine Kollegen erkannten schnell, wie hartnäckig und detailversessen er recherchierte. Martinovic wurde zu einem der wichtigsten investigativen Journalisten auf dem Balkan, vor allem wenn es darum ging, über Kriegsverbrechen im Kosovo zu recherchieren. So berichtete er etwa über das Massaker in dem Dorf Cuska am 14. Mai 1999, bei dem 41 Kosovo-Albaner erschossen wurden.

Später untersuchte Martinović auch Verbrechen, die von der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK begangen wurden. Seine Recherchen wurden auch vom Jugoslawien-Tribunal in Den Haag zur Kenntnis genommen. Jahrelange Recherchearbeit steckte er zuletzt in den BBC-Film Der Prozess von Ratko Mladic, eine Dokumentation über die Anklage und die Verteidigung des ehemaligen Oberbefehlshabers der Armee der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina, der 2017 des Völkermords für schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

"Die Verteidigung, aber auch Mladics Familie zur Teilnahme zu motivieren war ebenso wichtig wie die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen", meint Martinović. Schließlich habe ihn der Journalismus gelehrt, dass die Dinge "niemals schwarz oder weiß" seien. Es ginge als Journalist darum, nicht parteiisch zu sein, "weil wir alle voll menschlicher Schwäche sind und jeder von uns stolpern und hinfallen kann".

Pink Panther

Martinović wurde im Herbst 2015 festgenommen. Er hatte die Monate zuvor an einer Dokumentation über die "Pink Panther" gearbeitet, einer Gruppe von Juwelendieben, die in ganz Europa Einbrüche durchführten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, dass er mit den Kriminellen in Drogengeschäfte verwickelt sei. Martinović saß bereits ein halbes Jahr in Haft, als er erstmals Akteneinsicht bekam. Er erduldete das alles mit erstaunlicher Gelassenheit.

Die Anklage war dubios: Ihm wurde etwa vorgehalten, er habe einem Kriminellen die Handy-Applikation "Viber" auf dessen Mobiltelefon installiert, angeblich um dessen Drogengeschäfte abzuwickeln. Martinović habe dazu "sein journalistisches Wissen" genutzt, hieß es. Er selbst vermutet, dass er "bestraft" wird, weil er sich verweigert hatte, dem montenegrinischen Geheimdienst seine journalistischen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Dazu passt, dass die Regierung nun ein neues Gesetz entwarf, wonach Journalisten nach einem Gerichtsbeschluss ihre Quellen nicht mehr schützen dürfen. Wer nicht zusammenarbeitet, macht sich strafbar. Martinović wurde diesen Jänner zu 18 Monaten Haft verurteilt. Wenn die Berufung nicht durchgeht, muss er noch dreieinhalb Monate zusätzlich ins Gefängnis. Die Art, wie er persönlich damit umgeht, kann mit zwei Wörtern beschrieben werden: Mut und Demut. (Adelheid Wölfl, 20.3.2019)