Das "Handbuch Alkohol – Österreich 2018" des Gesundheitsministeriums weist rund fünf Prozent der Österreicher ab 15 Jahren als chronische Alkoholiker gemäß WHO-Definition aus. Das bedeutet, dass für sie der Wunsch, die Substanz einzunehmen, vorrangig gegenüber anderen Bedürfnissen und der Konsum trotz schädlicher Folgen schwer zu kontrollieren ist.

Bei noch einmal ca. doppelt so vielen Österreichern spricht man von problematischem Alkoholkonsum, definiert durch täglich mehr als 40 Gramm Reinalkohol für Frauen bzw. 60 Gramm für Männer, also umgerechnet ca. 1,0 bzw. 1,5 Liter Bier pro Tag. Männer sind in beiden Gruppen häufiger als Frauen. Der Übergang von gelegentlichem Trinken zur Abhängigkeit geschieht dabei zugleich mit fundamentalen Änderungen in der Art, wie das Gehirn kommuniziert. Diese Nervensignale führen schließlich zum Suchtverhalten.

Auch Ratten schauen gern einmal zu tief ins Glas wenn sie daran gewöhnt werden.
Foto: PNAS

Olivier George vom Scripps Research Institute in Kalifornien und seine Kollegen fanden 2016 eine mögliche Quelle der ausschlaggebenden Impulse. Eine Gruppe von verbundenen Zellen in der Amygdala, einem Teil des Gehirns, der vor allem für die Steuerung von Angstreaktionen bekannt ist, schien die Signale auszusenden.

Lasersteuerung von markierten Neuronen

Dieser Zellverbund besteht zu 80 Prozent aus bestimmten Neuronen, die jetzt genauer untersucht wurden. Wenn diese Nervenzellen im Labor lichtempfindlich gemacht werden, lassen sie sich per Laser deaktivieren und ihre Wirkung wird beobachtbar. Vorteil dieser Optogenetik genannten Methode ist, dass sie sehr zielgerichtet einsetzbar und sogar umkehrbar ist.

3D-Rekonstruktion basierend auf einer Mikroskopaufnahme von einem lichtempfindlich markierten Neuron.
Foto: George Lab

Zuerst wurden Ratten durch kontinuierliches Steigern der gefütterten Alkoholmengen abhängig gemacht. Entzug führte zu entsprechenden Symptomen und neuerliches Anbieten von Alkohol zu wieder größerem Konsum. Das Ausschalten der Neuronen per Laser, so die Vermutung der Forscher vor dem Experiment, würde dann Aufschluss über den vermuteten Zusammenhang geben.

Tatsächlich sank der konsumierte Alkohol rapide. Doch nicht nur der Drang zu trinken, sondern auch die physischen Entzugssymptome wie Zittern wurden reduziert. Über die unveränderte Wasseraufnahme konnte dabei ein allgemeiner Effekt auf das Trinkverhalten ausgeschlossen werden.

Alkoholabhängigkeit ist mit bestimmter Hirnregion verbunden

Zusätzlich konnten die Forscher den Effekt auch rückgängig machen. Ausschalten des Lasers ließ die Neuronen wieder normal arbeiten und die Ratten kehrten zurück zu ihrem Abhängigkeitsverhalten. Damit konnte eine begrenzte Nervenregion mit einem spezifischen Verhalten in Verbindung gebracht werden.

Dieser Durchbruch ist aber nicht nur vom Standpunkt der Grundlagenforschung bedeutend. Für mögliche Anwendungen in der Suchtbehandlung beginnt nun die Suche nach Wegen, um diese speziellen Nervenzellen selektiv zu hemmen. Das betroffene Gehirnareal könnte außerdem in der Opioidabhängigkeit eine Rolle spielen. Die genauen Zusammenhänge und auch was sonst noch passiert, wenn diese Neuronen in ihrer Funktion behindert werden, müssen aber erst erforscht werden. (Markus Plank, 25. 3. 2019)