Bild nicht mehr verfügbar.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern trauert mit den Hinterbliebenen um die muslimischen Opfer von Christchurch.

Foto: Reuters / Edgar Su

Ein Vater und sein Sohn – sie waren die ersten beiden Opfer des Terrorangriffs vom vergangenen Freitag, die am Mittwoch beerdigt werden konnten. Khaled Mustafa (44) und Hamsa (16) waren als Flüchtlinge aus dem kriegsgeplagten Syrien nach Neuseeland gekommen – nur um ein Jahr später in der Moschee von Christchurch im Kugelhagel eines fanatischen Rassisten zu sterben. Die Körper der beiden wurden auf einem Friedhof der südneuseeländischen Stadt zu Grabe getragen, unweit vom Ort, wo sie gestorben waren.

Zaid Mustafa, der zweite Sohn von Khaled, saß bei der Verabschiedung in einem Rollstuhl. Er war den Schüssen aus den Waffen des 28-jährigen Australiers zwar mit dem Leben entkommen, aber verletzt. "Ich sollte nicht vor euch sein", so Zaid am Grab, "ich sollte neben euch liegen", soll er einem Verwandten gesagt haben. Beim Terroranschlag auf zwei Moscheen starben am vergangenen Freitag insgesamt 50 Menschen. 30 weitere wurden verletzt.

Während sechs der Opfer beerdigt wurden, eskalierte am Mittwoch in der Hauptstadt Wellington ein politisches Drama. Premierministerin Jacinda Ardern beauftragte ihren Außenminister Winston Peters, in die Türkei zu fliegen und die türkische Regierung mit den Bemerkungen "zu konfrontieren", die Präsident Tayyip Erdoğan am Dienstag während einer Wahlveranstaltung gemacht hatte.

Beispiel für Islamophobie

Er hatte den Angriff des Rechtsextremisten als "das jüngste Beispiel des wachsenden Rassismus und der Islamophobie" des Westens kritisiert. Der Präsident verlangte die Todesstrafe für den mutmaßlichen Täter und meinte, "wenn Neuseeland ihn nicht zur Rechenschaft zieht, werden wir dies tun – auf die eine oder andere Weise".

Besuchern der Türkei, die eine "antimuslimische Gesinnung" hätten, drohte Erdoğan, sie würden "in Särgen zurückgeschickt, wie ihre Großväter" aus den Reihen der Truppen Großbritanniens und der Empire-Länder Neuseeland und Australien. Bei der Schlacht von Gallipoli zwischen 1915 und 1916 gegen eine primär osmanische Streitmacht starben rund 10.000 australische und neuseeländische Soldaten, die im Australian and New Zealand Army Corps (Anzac) unter britischer Führung gekämpft hatten.

Ein Video als Politikum

Erdoğan zeigte während Wahlveranstaltungen auch Ausschnitte aus den Videoaufnahmen des mutmaßlichen Täters von Christchurch. Die neuseeländische Regierung hatte die Öffentlichkeit seit Tagen aufgefordert, das Video weder anzusehen noch zu teilen. Zwei Männer sind in Neuseeland bereits festgenommen worden. Sie werden sich wegen "Verbreitung unzulässigen Materials" vor Gericht verantworten müssen.

Der konservative Premierminister Australiens, Scott Morrison, reagierte am Mittwoch mit der Einbestellung des türkischen Botschafters in sein Büro. Erdoğan habe die im Ersten Weltkrieg gefallenen australischen und neuseeländischen Soldaten "hochgradig beleidigt". Der Regierungschef zeigte sich nach dem Besuch des Botschafters nicht befriedigt von dessen Erklärungen. "Alles ist auf dem Tisch", wenn es um weitere Schritte gegen die Türkei gehe, so Morrison vor den Medien. Er forderte Erdoğan auf, seine Bemerkungen umgehend zurückzunehmen.

Australien hat in den vergangenen Jahren eine besonders starke Tradition entwickelt, die Leistungen der Anzac-Soldaten zu zelebrieren. Der jährliche "Anzac-Tag" mit Aufmärschen, Morgenandachten, Kranzniederlegungen und Reden erinnert Beobachter an eine fast religiöse Heldenverehrung. Jedes Jahr reisen zudem Tausende von meist jungen, patriotischen Australiern nach Gallipoli, um den Ort zu ehren, wo ihre Groß- und Urgroßväter gefallen sind.

Für viele Australierinnen und Australier gilt Gallipoli als Geburtsstunde des modernen Australien. Historiker dagegen meinen, das Land zelebriere damit eine der größten militärischen Niederlagen der jüngeren Geschichte. (Urs Wälterlin, 21.3.2019)