Aus dem Petz in der Gußhausstraße wurde Buchecker und Sohn, ein exemplarisch bekochtes Wiener Gasthaus.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Innereien-Tapas für zwei Personen ist konzentrierte Wiener Küchenherrlichkeit.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für Familie Buchecker war es eine ziemliche Katastrophe, als ein eifriges Organ des magistratischen Bezirksamtes in der Wipplingerstraße einzelne, von einem lange vergangenen Pächter getätigte Umbauten in ihrem Gasthaus beim Mittersteig auf einmal so beanstandete, dass eine neue Betriebsanlagengenehmigung fällig gewesen wäre.

Für den Fresskritiker war es hingegen ein Glück: Die Verpflichtung zur Neuigkeit gilt beim STANDARD schließlich auch für Wirtshausbesprechungen. Und weil Franz Buchecker und sein Sohn Christopher lieber an neuer Stelle wieder aufsperrten, als sich mit anderer Leute Umbauten herumzuschlagen, lässt sich ihre Küche endlich auch hier gebührend würdigen.

Und nicht irgendwo: Die Bucheckers haben sich das Gußhaus gezwickt, in dem zuvor Christian Petz wirkte. Der Raucherbereich ist seitdem in ein entlegenes Hinterzimmer verlegt, ein Schanigarten mit 28 Sitzplätzen genehmigt (uff!), hintaus ist noch ein winziger Patio dazugekommen.

Das eigentlich Wichtige ist aber die unreformierte Wiener Küche, die Vater und Sohn vorlegen und von den beiden Ehefrauen mit routiniertem Charme zum Tisch gebracht wird. Dass eine wirklich große, urtypische Wirtshauskarte in durchgängig herausragender Qualität auch heute noch rausgekocht werden kann, lässt sich in der Stadt sonst nirgends mehr erleben – die Bucheckers aber machen es, als ob es das Normalste wäre.

Der Suppentopf, eine Zaubertrankschüssel, in der Grießnockerln, Leberknödel, Frittaten (selbstredend alles hausgemacht und wunderbar) in einer kraftstrotzenden Rindsuppe mit reichlich Fleisch und Wurzelgemüse schwimmen, kann als Sinnbild dafür herhalten. Wer sie bestellt, wird ob ihrer Größe aber um viele Herrlichkeiten umfallen, zumindest bis zum nächsten Besuch.

Die Innereien-Tapas für zwei Personen zum Beispiel, ein gastronomischer Irrwitz mit gebackenem Kalbskopf, gebackenem Bries und gebackenem Kalbshirn, dazu noch Hirn mit Ei und geröstete Leber in Extraschüsserln (siehe Bild), ist konzentrierte Wiener Küchenherrlichkeit: Das Gebackene außen resch und innen auf jeweils eigene Art cremig, mit frittierter Petersilie und Sauce tartare garniert, von vielfältig perfider Köstlichkeit; die Leber in dunklem und doch leichtfüßigem Saftl, die geschmorten Zwiebeln mit lebendiger Säure unterfüttert, die Leber ein zarter Hauch; schließlich Hirn mit Ei, wahrscheinlich das Beste von allem, locker, saftig, zwiebelsüß lebendig – kann man kaum besser machen.

Aber auch sonst wird Innereien, wie es sich in Wien gehört, viel Platz geboten. Prager Kuttelflecksuppe zum Beispiel, dicht, dick, mit Raffinement gewürzte, erweckt Gaumentote zu neuem Sinn. Oder Wurzelzüngerl vom Wollschwein, Kalbsrahmherz, denkwürdig herrliche, in Schmalz gebackene Blunzen mit Kren, Kalbsbeuschel oder gebackenes Bries – hier darf gut sein, wovor die Masse sich mit Grausen wendet.

Verschlagen gut

Schnitzel, wahlweise vom Kalb oder Schwein oder, geradezu verschlagen gut, als saftstrotzende Fledermaus vom Schweinsschlögel, wird nach Wunsch in Butter-, Schweineschmalz oder Öl herausgebacken und reiht sich unter den besten Schnitzeln der Stadt ganz weit vorn ein – einzig der Erdäpfelsalat ist sehr klebrig abgeschmeckt, eine kleine, aber gewichtige Sünde.

Löffelweichen Esterhazy-Rindsbraten mit einem Berg Butterhörnchen gibt es ebenso wie Biobackhendl von souveräner Saftigkeit oder ein ideal saftiges Kalbsgulasch mit ausnehmend guten Nockerln. Und der in Butter gebratene Toast mit Beinschinken und Emmentaler samt hausgemachten Chips? Ist als Katerfrühstück vorgemerkt. (Severin Corti, RONDO, 22.3.2019)