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Brüssel – Der Spitzenkandidat der Konservativen bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), hat nach der Wahl die anderen bürgerlichen Fraktionen zur Kompromissfähigkeit aufgerufen. Was jetzt wichtig sei, "ist der Wille zum Kompromiss".

Weber schloss aus, im Europäischen Parlament mit Links- oder Rechtsextremen zusammenzuarbeiten. Es werde da weder Gespräche noch eine Zusammenarbeit geben. Trotz der Verluste der Europäische Volkspartei (EVP) pochte Weber darauf, dass seine Fraktion den künftigen Kommissionspräsidenten stellen wird. "Ich gehe mit Demut in die Gespräche der nächsten Tage, aber auch mit Selbstbewusstsein."

Weber will Nachfolger von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission werden, gegen dieses Ziel gibt es aber auch Widerstände in anderen Ländern. Der CSU-Politiker sagte, es sei im Europaparlament "definitiv klar", dass es dort keine Mehrheit für einen Kandidaten geben werde, der nicht Spitzenkandidat war.

Bei der EU-Wahl haben die großen Gruppierungen, die EVP und die Sozialisten und Demokraten (S&D), erstmals ihre Mehrheit im EU-Parlament verloren. EVP (179 Sitze) und S&D (150 Sitze) haben zusammen 329 Mandate, für eine absolute Mehrheit der 751 Sitze braucht es mindestens 376. Als Partner kämen die Liberalen (Alde) infrage, die sich mit der französischen Präsidentschaftspartei En Marche und einem rumänischen liberalen Bündnis zu Alde & R zusammenschließen wollen und zusammen 107 Mandate holten. EVP, S&D und Alde & R erreichen eine absolute Mehrheit von 436 Sitzen.

Starke Grüne

Aber auch die Grünen (Grüne/EFA) gehen gestärkt aus der Europawahl hervor, sie stehen nunmehr bei 70 Mandaten. EVP, S&D und Grüne hätten zusammen ebenfalls eine absolute Mehrheit von 399 Sitzen. Weder EVP noch die Sozialdemokraten können ohne den jeweils anderen und zusammen mit den Liberalen und Grünen eine absolute Mehrheit erzielen: EVP, Alde & R und Grüne kommen auf 356 Mandate. S&D, Alde & R und Grüne erreichen miteinander 327 Sitze.

Ein Mitte-links-Bündnis aus S&D, den Linken (GUE/NGL; 38 Sitze) und Grünen hätte zusammen 258 Sitze und wäre von der absoluten Mehrheit weit entfernt, mit den Liberalen zusammen hätte diese Koalition 365 Mandate und auch noch keine Absolute.

Eine Mitte-rechts-Allianz aus EVP und den EU-kritischen und rechten Fraktionen Europäische Konservative und Reformer (EKR; 58 Sitze), Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD; 56 Sitze) sowie Europa der Nationen und der Freiheit (ENF; 58 Sitze) verfehlt zusammen auch die absolute Mehrheit und kommt auf 351 Sitze. Mit den Liberalen an Bord würden sich 458 Sitze ausgehen, doch scheint eine solche Konstellation angesichts der politischen Differenzen unwahrscheinlich. Alle EU-kritischen und rechten Fraktionen zusammen – EKR, EFDD und ENF – kommen auf 172 Mandate.

Änderungen

Diese Mehrheitsrechnungen werden sich bis zur konstituierenden Sitzung des neuen EU-Parlaments am 2. Juli und im Lauf der Legislatur noch ändern. Folgende Faktoren sind ausschlaggebend:

In der Prognose des EU-Parlaments werden 28 Sitze sogenannten "Anderen" zugerechnet, die keiner Fraktion des scheidenden Parlaments angehören. Sie werden sich noch auf die bestehenden Fraktionen aufteilen. In Ungarn ist der Verbleib der Regierungspartei Fidesz von Viktor Orbán, die 13 Sitze holte, in der EVP fraglich. Derzeit wird Fidesz zwar der EVP zugerechnet, ihre Mitgliedschaft ist aber suspendiert.

Der Brexit-Faktor: Mit dem Austritt Großbritanniens, der bereits Anfang November Realität werden kann, werden die Mehrheitsverhältnisse neuerlich durcheinandergeworfen. Durch den Brexit verliert am stärksten EFFD, der Fraktion kommen 29 Mandate der Brexit-Partei abhanden. Zweitgrößter Verlierer durch den britischen EU-Austritt wäre Alde & R durch das Ausscheiden der britischen Liberaldemokraten (16 Mandate). Die Sozialdemokraten würden elf Sitze einbüßen, die EKR durch den Abgang der Tories vier. (APA, 27.5.2019)

Übersichtskarte

Sitzverteilung im Parlament

Der aktuelle Stand der Mandatsverteilung im neuen Europäischen Parlament.

Prozentuelle Stimmverteilung

Wahlbeteiligung

Wer wählte wann?