Zerstörte Cafés, geplünderte Geschäfte bei Gelbwesten-Unruhen: Jetzt soll das Militär die Kontrolle zurückerlangen.

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Erstmals seit Jahrzehnten kommen in Paris wieder Soldaten zum Ein- satz, um den ruhigen Ablauf einer Demonstration zu gewährleisten. Präsident Emmanuel Macron will am Samstag die Einheit "Sentinelle" (Wächter) aufbieten, um Monumente, Ministerien oder Sehenswürdigkeiten zu schützen. Dies soll den Polizeikräften erlauben, sich auf den Einsatz gegen Krawallmacher zu konzentrieren.

Ein Regierungssprecher präzisierte, die 7000 Soldaten kämen "nicht direkt mit den Demonstrationen in Kontakt". Die Antiterrorsoldaten patrouillieren seit den Terroranschlägen von 2015 in Dreier- oder Viererformation durch Straßen, Bahnhöfe und vor Kultstätten. Sie tragen Tarnanzüge und haben Sturmgewehre im Anschlag.

Fiasko auf den Champs Élysées

Ihr Einsatz am Rande von Gelbwesten-Protesten ist eine direkte Folge des polizeilichen Fiaskos vom vergangenen Samstag. Vermummte Demonstranten hatten auf den Champs-Élysées Geschäfte verwüstet. Die Bilder schockierten die Franzosen, die seit Beginn der Gelbwesten-Proteste im November mittlerweile einiges gewohnt sind.

Sicherheitsexperten staunen über die Absenz der Polizei entlang der Prachtavenue. Nach der zunehmenden Kritik wegen Verletzungen infolge von Gummigeschoßen hatte das Polizeipräsidium offenbar beschlossen, eine defensivere Taktik einzunehmen. Die meisten Polizisten sicherten zudem das Viertel um den Präsidialpalast, vernachlässigten aber die Zone um die Champs-Élysées. Der harte Kern aus Gelbwesten und Schwarzkapuzen wunderte sich wohl selbst, die Prachtmeile sozusagen für sich zu haben.

Innenminister Christophe Castaner rettete seinen Job nur, indem er den Pariser Polizeipräfekten Michel Delpuech – der ohnehin vor der Pensionierung stand – entließ. Um Castaner selbst aus der Schusslinie zu nehmen, verkündete Premier Édouard Philippe neue Maßnahmen: Die Champs-Élysées in Paris sowie zentrale Zonen in Bordeaux und Toulouse werden für Demos verboten. Das ändert faktisch nicht viel: Schon frühere Gelbwesten-Kundgebungen waren bereits unangemeldet – und damit rechtswidrig – gewesen.

Im Umgang mit den Demonstranten sollen die Polizisten zudem weniger passiv sein, sondern die "Initiative ergreifen". Das schließt jetzt auch physischen Kontakt ein – zum Beispiel die Kennzeichnung von Demonstranten mit einem nichtabwaschbaren chemischen Produkt (PMC). Dies soll allfällige spätere Festnahmen erleichtern.

Riskante Taktik

Unter politischem Druck stehend, geht jetzt Macron aber noch weiter. Mit dem Einsatz von Soldaten reagiert er auch auf Umfragen, die von einer zunehmenden Ungeduld der Franzosen gegenüber den regelmäßigen Gewaltakten zeugen. Sein Vorgehen ist allerdings riskant. "Was mich beunruhigt, ist die Reaktion im Fall einer Attacke", meinte der Polizeigewerkschafter Philippe Capon. Wie sich die Sentinelle-Patrouillen verhalten sollen, wenn sie in den Mob geraten, ist offenbar noch nicht klar geregelt.

Sicher ist, dass die Soldaten diesbezüglich über keine Erfahrung verfügen. Gegenüber messerschwingenden Jihadisten zeigten sich schon zahlreiche Patrouillen der Lage gewachsen – weil sie entsprechend ausgebildet sind. Was aber, wenn etwa Aktivisten des Schwarzen Blocks bewusst die Konfrontation suchen?

Le Pen kritisiert den Schritt heftig

Nicht überraschend die politische Kritik: Linkenchef Jean-Luc Mélenchon: "Die Armee schickt man gegen den Feind los, nicht gegen Franzosen." Und die Rechtspopulistin Marine Le Pen meinte, es gehe nicht an, die Armee "auf das französische Volk anzusetzen". Der mit Macron verbündete Zentrumsdemokrat François Bayrou hielt dagegen: "Wenn man mit Leuten zu tun hat, die terrorisieren, brandschatzen und zerstören, dann muss man sie festnehmen." Und das sei nur möglich, wenn die Polizei nicht durch andere Aufgaben wie Gebäudeschutz absorbiert sei. (Stefan Brändle aus Paris, 21.3.2019)