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"Eine Unverschämtheit": Temer bei der Verhaftung.

Foto: AP / Nelson Antonie

São Paulo / Rio de Janeiro – Im Zuge der Ermittlungen über einen riesigen Korruptionsskandal in Brasilien ist nun auch Ex-Staatschef Michel Temer festgenommen worden. Der 78-Jährige sei am Donnerstag in São Paulo in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rio de Janeiro.

Anlass sind Vorwürfe im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre "Lava Jato" (Autowäsche) um den Staatskonzern Petrobras, die bereits Temers Amtsvorgänger Luiz Inácio Lula da Silva ins Gefängnis brachte. Hauptermittler in der Affäre ist der ehemalige Oberstaatsanwalt Sérgio Moro. Ihn hat der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro mittlerweile zu seinem Justizminister gemacht.

Temer werde nun nach Rio de Janeiro geflogen, wo der Haftbefehl gegen den 78-Jährigen ausgestellt wurde. Auf Fotos war zu sehen, wie der Politiker von schwer bewaffneten Polizisten zum Flughafen gebracht wurde.

Anwälte sehen Übertreibung

"Das ist eine Unverschämtheit", sagte Temer am Telefon zu einem Journalisten des Radiosenders CBN auf dem Weg zum Flughafen. Temers Anwälte hielten die Verhaftung für übertrieben und kündigten Rechtsmittel gegen die Untersuchungshaft an. Neben Temer wurden am Donnerstag auch der frühere Energieminister Moreira Franco und sechs weitere Verdächtige festgesetzt.

Der Eigentümer des Energieunternehmens Engevix sagte laut einem Bericht des Nachrichtenportals "G1" bei einer Vernehmung durch die Bundespolizei, er habe auf Bitten eines Vertrauten Temers eine Million Reais (rund 230.000 Euro) Schmiergeld gezahlt. Später erhielt das Unternehmen einen Auftrag beim Bau des Atomkraftwerks Angra 3.

Unbeliebter Präsident

Temer blickt auf eine lange politische Karriere zurück: Er war zweimal Vizepräsident unter Dilma Rousseff, 2016 rückte er nach deren Amtsenthebung selbst an die Staatsspitze. Temer, der das Präsidentenamt Ende 2018 nach zweieinhalb Jahren abgegeben hatte, war der unbeliebteste brasilianische Präsident überhaupt. Schon während seiner Amtszeit waren Korruptionsvorwürfe laut geworden. Zum Jahreswechsel gab er das Amt an den rechtsradikalen Bolsonaro ab. Zuvor war er Präsident der Abgeordnetenkammer, Minister für öffentliche Sicherheit und Generalstaatsanwalt in São Paulo gewesen.

Im Zuge der "Lava Jato"-Ermittlungen um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras wird gegen dutzende Politiker, Funktionäre und Unternehmer ermittelt. Lula wurde wegen Bestechlichkeit bereits zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Petrobras soll zu überteuerten Bedingungen Aufträge an Baukonzerne und andere Firmen vergeben haben; diese wiederum zahlten Bestechungsgelder an Politiker und Parteien. (APA, 22.3.2019)