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Was brauchen Führungskräfte, um vorwärts zu kommen?

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In der neuen Arbeitswelt wird vieles anders: die Büros, die Art der Zusammenarbeit, die Organisationsformen. Während die einen sich an Bewährtem festklammern, suchen andere neue, manchmal radikale Wege. Eines ist dabei aber klar: Beides isoliert betrachtet, tut keinem Unternehmen gut. Wir brauchen dringend ein völlig neues Verständnis von Management und Leadership – Freestyle-Führen ist angesagt. Und das bedeutet, einen individuellen Weg und die richtige Balance für das eigene Unternehmen zu finden. Allerdings sind Inspirationen und Denkanstöße von Pionieren und Vordenkern anderer Unternehmen oft hilfreich, um den eigenen Weg zu finden. Hier sind sechs Inspirationen, die zum Nachmachen anregen sollen, wie Freestyle-Führen in der Praxis funktioniert:

1. Digitales Führen, aber nicht um jeden Preis

Eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften ist es, besonderes Augenmerk auf die Digitalisierung und die Etablierung digitaler Skills ihrer Mitarbeiter zu richten und hier den Boden für die digitale Transformation zu bereiten. Was es braucht, ist vor allem unternehmensübergreifende Team- und Projektarbeit – und damit auch Kooperation mit Mitbewerbern und Start-ups. Als digitale Missionare sind Führungskräfte Vorbilder, die die Mitarbeiter ermutigen, digitale Tools spielerisch auszuprobieren.

Vorsicht: Die eigene Technikverliebtheit kann aber zu Unverständnis gegenüber Mitarbeitern führen, die etwas mehr Zeit für das Erlernen neuer Skills und die Adaption benötigen. Druck und Überforderung der Mitarbeiter ist hier wenig hilfreich. Was hilft: Gamification-Ansätze, einfache Tools, Fokus auf wenige, dafür aber wichtige Innovationen.

2. Agiler mit OKRs

Die sogenannten Objectives and Key Results (OKRs) von Intel-Co-Gründer Andy Grove können dabei helfen, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Das Ziel-Performance-Modell wird bereits von Konzernen wie Twitter, Netflix, Zalando und vielen DAX-Konzernen und Mittelständlern genutzt. Die Idee: In Etappen von jeweils einem Quartal einigen sich die Führungskräfte gemeinsam mit den Mitarbeitern auf kurzfristige Ziele, die für alle transparent sind. Entscheidungen werden so rascher getroffen, Zielorientierung, Kommunikation und Effizienz verbessert.

Vorsicht: Wie bei allen Ansätzen gibt es natürlich Vor- und Nachteile. Aber gerade hier tun Führungskräfte gut daran zu überlegen, was für das eigene Business-Modell passend ist. Eine Balance zwischen langfristigen Überlegungen, die Orientierung bieten, und kurzfristigen Zielen, die schnell an sich ständig ändernde Anforderungen angepasst werden können, ist dabei essenziell.

3. Stärken ausspielen lassen

Positive Leadership ist ein lösungsorientierter Ansatz aus der Positiven Psychologie. Er bezeichnet ein potenzialorientiertes, menschenzentriertes Führen, das die Vision und Werte des Unternehmens in den Fokus rückt. Führungskräfte setzen ganz besonders auf die Stärken jedes Einzelnen, den Flow, die Sinnorientierung und das Engagement der Mitarbeiter und legen großen Wert auf Talente- und Teamentwicklung. Die individuelle Entwicklung und Partizipation jedes Mitarbeiters ist zentral. Aushängeschild dieses Ansatzes ist etwa der Möbelriese Ikea.

Vorsicht: "Positiv" bedeutet aber nicht, keine Konflikte mehr haben zu dürfen, sondern offene Kommunikation aktiv zu fördern. Bei all der Mitarbeiterzentrierung läuft man aber schnell Gefahr, die eigenen Kunden und Produkte aus den Augen zu verlieren.

4. Alle Dimensionen nützen

Führung wird meist auf die klassische Zweierbeziehung Führungskraft vs. Mitarbeiter reduziert. Ein Forschungsprojekt an der Hochschule für angewandtes Management in Deutschland hat mit dem synergetischen Führen ein neues Teamführungsmodell auf Basis erfolgreicher und misslungener Teamprojekte entwickelt. Es geht davon aus, dass Führungskräfte idealerweise das Team als System im Blick haben: Teamzusammenstellung, Rollen- und Aufgabenverteilung, Ressourcen, Team-Performance und Reflexion der Zusammenarbeit. Studien haben gezeigt: Wenn die Führungskraft Aufgaben und Abläufe vorgibt und strukturiert, arbeiten Teams effektiver. Arbeiten die Teams selbstorganisiert, sind sie kreativer und innovativer.

Vorsicht: In jedem Fall auch auf die einzelnen Mitarbeiter achten – sonst übersieht man leicht, wenn einzelne innerlich kündigen oder völlig demotiviert sind.

5. Mindful Leadership – Weniger ist mehr

Wenn Menschen an Achtsamkeit denken, dann verbinden sie damit in der Regel Meditationsklassen und Yogakurse. Allein das in Unternehmen anzubieten ist ein guter Schritt, um Stress abzubauen. Achtsamkeit in der Führung bedeutet aber mehr, nämlich das Praktizieren von Achtsamkeit im täglichen Tun und die eigene Haltung den Mitarbeitern gegenüber ständig zu hinterfragen. Achtsames Denken und Handeln führt zu mehr Klarheit bei hochkomplexen Fragestellungen und zu mehr Empathie gegenüber anderen. Ein Vorreiter des Mindful Leadership ist Bodo Janssen, CEO der friesischen Hotelkette Upstalsboom. Er hat nach einem Klosteraufenthalt achtsame Methoden in der Arbeit mit seinen Mitarbeitern eingeführt. Sinnorientiertes, eigenverantwortliches Arbeiten und Wertschätzung stehen im Mittelpunkt seiner Unternehmenswerte.

Vorsicht: Mindfulness ist kein Freibrief, Mitarbeiter im Gegenzug mit noch mehr Arbeit zu belasten.

6. Mittendrin statt nur dabei

Mitsprache kann die intrinsische Motivation der Mitarbeiter erhöhen – wenn sie sich gesehen und gehört fühlen und ihre Ideen und Meinungen tatsächlich Einfluss haben. New-Work-Pioniere machen es vor, wie weit man dabei gehen kann. Das Berliner Kondom-Start-up Einhorn lässt die Mitarbeiter über Gehalt und Urlaub mitentscheiden. Beim Hamburger Getränkemacher Premium Cola dürfen sogar Lieferanten, Abnehmer und Endkonsumenten per Intranet über Geschäftsentscheidungen mitbestimmen.

Vorsicht: Damit gelebte Partizipation funktioniert, braucht es die richtige Diskussions- und Entscheidungskultur – und viel Durchhaltevermögen und Konsequenz bei Führungskräften und Mitarbeitern gleichermaßen. (Helga Pattart-Drexler, 4.4.2019)