Die erste Beta für Android Q ist eine relativ trockene Angelegenheit. Die wirklich sichtbaren Änderungen halten sich in einem ziemlich überschaubaren Rahmen. Stattdessen konzentriert sich die vor kurzem veröffentlichte Testversion vor allem auf Umbauten an der Basis. Diese sind zwar fraglos wichtig – so gibt es etwa signifikante Verbesserungen im Bereich Privatsphäre –, aber eben auch eine eher trockene Materie.

Unter dem Pflaster liegt der Strand

Doch die aktuelle Beta ermöglicht auch bereits einen Blick darauf, an welchen neuen Features Google derzeit gerade arbeitet – man muss nur etwas tiefer graben. Wer vor dem Rückgriff auf Entwicklertools und vor versteckten Einstellungen nicht zurückschreckt, dem offenbart sich eine Fülle an neuen Möglichkeiten.

Benachrichtigungen

Im Verlaufe der vergangenen Jahre hat Google sein Benachrichtigungssystem immer weiter verfeinert. Eine Entdeckung von 9to5Google offenbart nun aber, dass das Unternehmen auch mit komplett anderen Konzepten experimentiert. Wieder mithilfe von ADB-Kommandos kann ein System aktiviert werden, das an die "Chat Heads" von Facebook erinnert. Dabei werden sämtliche Benachrichtigungen als eine dem restlichen Bildschirmgeschehen überlagerten, runden Icon-Stapel dargestellt, dessen Position von den Nutzern frei gewählt werden kann. Berührt man diesen, werden dann sämtliche angesammelten Notifications nebeneinander dargestellt – zunächst ebenfalls in dieser runden Form. Ein weiterer Touch ruft dann den eigentlichen Inhalt auf.

In Android Q ist ein neues Benachrichtigungssystem versteckt. Derzeit läuft das Ganze noch parallel zum bisherigen System.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Das Ganze wirkt bereits recht ausgereift. Das Ändern der Position geht mit einem nett gemachten Effekt einher, sämtliche Benachrichtigungen können durch ein Ziehen des Icon-Stapels an den unteren Bildschirmrand auf einmal gelöscht werden. Trotzdem ist unklar, ob dies ein bloßes Experiment ist oder ob Google damit wirklich das bisherige Benachrichtigungssystem ersetzen will – und wenn ja auf welchen Geräten.

Gestensteuerung

Mit Android 9 hat Google erstmals eine eigene Gestensteuerung für sein Betriebssystem eingeführt. Deren Implementation stieß allerdings rasch auf Kritik: Da sie inkonsequent umgesetzt sei, biete sie nur wenig Vorteile im Vergleich zur klassischen Systemnavigation mit drei Knöpfen. Mit Android Q will Google diese Defizite offenbar ausbügeln. Mithilfe des Kommandozeilen-Tools ADB lässt sich eine überarbeitete Version der Gestensteuerung aktivieren. Bei dieser verschwindet der altbekannte Zurück-Knopf und wird durch eine Swipe-Geste nach links ersetzt. Ebenfalls neu ist, dass über einen Swipe über dem verbliebenen Knopf nun der Benachrichtigungsbereich nach unten gezogen werden kann.

Doch Google scheint noch mit anderen Formen der Gestennavigation zu experimentieren. Im Pixel-Launcher für die Smartphones des Android-Herstellers finden sich nämlich ebenfalls noch passende Optionen. Um auf diese zuzugreifen, bedarf es einer Modifikation des Launchers – wofür wiederum Root-Berechtigungen notwendig sind. Eine passende Anleitung findet sich bei XDA Developers. Einmal aktiviert, gibt es dann eine praktisch exakte Kopie jener Gestensteuerung, die Apple bei seinen aktuellen iPhones einsetzt. Das heißt etwa, dass eine Wischbewegung nach oben zum Homescreen zurückkehren lässt oder auch, dass der Task-Manager mittels Swipe nach oben und dann festgehalten auf halber Höhe aufgerufen wird. Zudem kann hier irgendwo auf dem Homescreen eine Wischbewegung nach unten ausgeführt werden, um die Benachrichtigungen aufzurufen.

Die Gesten im iPhone-Stil.
Mishaal Rahman

Welches der beiden Systeme schlussendlich in Android Q zum Einsatz kommen soll, ist angesichts dieser Vielfalt natürlich noch unklar. Sicher ist bloß, dass Google mit diversen Konzepten experimentiert und offenbar noch nach der passenden Lösung sucht. Bei all diesen Ansätzen fehlt derzeit aber ein Punkt, auf den viele Nutzer gehofft haben: die Reduktion des Platzverbrauchs. Bisher nimmt der eine Button nämlich noch immer gleich viel vertikalen Platz ein wie die alte Systemnavigation. Natürlich hält niemand Google davon ab, diesen Umstand noch bis zur fertigen Version von Android Q zu korrigieren.

Es wird dunkel

Dunkle Themes haben zuletzt deutlich an Popularität gewonnen, immer mehr App-Entwickler liefern entsprechende Looks als eine Option mit, auch diverse Smartphone-Hersteller bieten von Haus aus einen "Dark Mode". Eine solche Farbwahl ist nicht nur in den Abendstunden angenehmer für die Augen, sie hilft auch dabei, die Akkulaufzeit zu verlängern. Verbrauchen dunkle Themes doch bei den mittlerweile weitverbreiteten OLED-Bildschirmen erheblich weniger Strom. Google will all dies nun zentral angehen und mit Android Q einen systemweiten Dark Mode einführen.

In der ersten Beta steht dieser Modus zwar noch nicht als generelle Option zur Verfügung, und doch kann er bereits recht einfach ausprobiert werden. Bei der Aktivierung des Energiesparmodus wird nämlich auch gleich auf den Dark Mode gewechselt. Google verfolgt dabei einen recht offensiven Ansatz, der versucht, eine dunkle Darstellung zu erzwingen – und zum Teil sogar bei eigenen Apps zu Darstellungsproblemen führt. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann den Dark Mode über ADB auch fix einstellen – also selbst wenn der Battery Saver nicht aktiv ist.

Der Dark Mode unter Android Q setzt derzeit auf komplettes Schwarz.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

In diesem Fall kann übrigens relativ fix davon ausgegangen werden, dass das Feature in der finalen Version von Android Q landen wird. Immerhin sind vor einigen Wochen interne Zeitpläne durchgesickert, in denen Google die Entwickler seiner Kern-Apps dazu verpflichtet, bis Mai einen Dark Mode zu implementieren.

Theming

Doch mit dem Trend zur neuen Dunkelheit ist es in Hinblick auf optische Veränderungen noch nicht getan: Ist in der ersten Betaversion von Android Q doch endlich etwas eingeflossen, das die Nutzer anderer Android-Varianten zum Teil bereits kennen: ein Theming-System. Im vorliegenden Fall fällt dies noch recht einfach aus, aber zumindest lässt sich die Highlight-Farbe neben Blau jetzt auch auf Violett, Grün und Schwarz ändern. Zudem ist es möglich, die Form sämtlicher Icons – also nicht nur jener im Launcher, sondern etwa auch jener für Schnelleinstellungen – anzupassen. Und dann kann auch noch die Systemschrift verändert werden – wobei die einzige derzeit gebotene Alternative wenig ansehnlich ist.

Simples Theming erlaubt verschiedene Farb-Highlights, Icon-Formen und eine alternative Schriftart.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Trotzdem: Für die Zukunft macht dies Hoffnung, dass das User-Interface künftig leichter angepasst werden kann, was auch bedeuten würde, dass für die Dritthersteller weniger Aufwand entsteht. Die drei erwähnten Optionen lassen sich allesamt über die Entwicklereinstellungen ausprobieren.

Lock Screen

Flexibler könnte schon bald auch der Sperrbildschirm von Google werden. Erneut mithilfe der Kommandozeile können in Android Q nämlich komplett andere Looks ausprobiert werden. Das reicht von einer Darstellung der Uhrzeit als Text bis zu einem klassisch analogen Stil. Interessant ist, dass all diese alternativen Designs als Plug-ins entwickelt sind. Künftig könnte Google also Dritt-Apps die Möglichkeit bieten, hier eigene Anpassungen vorzunehmen.

Desktop Mode

Viel interessantes offenbaren auch die Entwicklereinstellungen von Android Q. So findet sich hier ein Punkt namens "Desktop Mode". Das klingt nicht nur wie ein Pendant zu Samsungs DeX, offenbar soll es das auch irgendwann einmal werden. Jedenfalls lässt sich wieder über ein paar manuelle Änderungen ausprobieren, was sich dahinter verbirgt, und es ist tatsächlich eine Desktop-ähnliche Oberfläche. Derzeit wirkt all das noch ziemlich roh, potenziell könnte es damit aber künftig unter Android generell die Möglichkeit geben, das Smartphone mithilfe eines externen Monitors als Desktop-Ersatz zu nutzen.

Der versteckte Desktop-Modus bietet derzeit nur das absolute Minimum an Funktionen.
xdadevelopers

Feature Flags

Noch etwas tiefer in den Entwicklereinstellungen befinden sich die sogenannten "Feature Flags". Darüber lassen sich in Entwicklung befindliche Neuerung vorab ausprobieren – ähnlich wie es beim Browser Chrome schon länger geht. Dazu gehört aktuell ein Screencast-Support (settings_screenrecord_long_press), der dann über einen Langdruck auf den Screenshot-Button im Power-Menü aufgerufen werden kann. Dieser zeigt aber auch ganz gut, warum diese Features als experimentell bezeichnet werden: Zwar funktioniert das Aufnehmen von Screencasts tadellos, und es ist sogar möglich, Touches grafisch zu erfassen und begleitende Audio-Passagen einzusprechen. Das Beenden einer Screencast klappt aber nicht – hier hilft nur ein Neustart.

Hinter einer weiteren Feature-Flag (settings_seamless_transfer) versteckt sich die Möglichkeit, bei der Audiowiedergabe zwischen verschiedenen Geräten zu wählen. So kann etwa Musik über die Lautsprecher des Geräts abgespielt werden, selbst wenn gerade Bluetooth-Kopfhörer verbunden sind. Der Button zum Aufruf dieser Funktion wird nach Aktivierung dieser Option bei den Benachrichtigungen von Audio-Apps hinzugefügt.

Dual SIM Zukunft?

Sehr interessant ist eine weitere Einstellung: Hinter settings_network_internet_v2 versteckt sich eine Umarbeitung der Mobilfunkeinstellungen, die sich vor allem durch eines auszeichnet: echten Dual-SIM-Support. Dies ist vor allem für Besitzer des Pixel 3 von Interesse, da sich hier abzeichnet, dass Google in der Kombination aus eSIM und Nano-SIM an Dual-SIM-Dual-Standby-Support arbeitet. Bisher kann bei dem aktuellen Google-Smartphone nur entweder die eine oder die andere SIM benutzt werden. Das Problem dabei: Im Moment ist all das noch extrem fehleranfällig, womit der verbesserte Dual-SIM-Support nicht sinnvoll genutzt werden kann.

Google bereitet das Original-Android endlich auf Dual-SIM-Support vor.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Alternative zum Google Assistant

Wieder zu ADB muss man für ein weiteres neues Feature für Pixel-Nutzer greifen: die Möglichkeit, frei zu bestimmen, was beim Auslösen von "Active Edge" passieren soll. Bisher wird beim Quetschen des Rahmens immer der Google Assistant aufgerufen, mit dieser Option können die Nutzer an dieser Stelle selbst auch andere Apps festlegen.

Genaugenommen befindet sich übrigens sogar im Logo von Android Q bereits ein verstecktes "Feature": Wer diese genauer betrachtet, wird nämlich bemerken, dass das "Q" aus zwei Zeichen zusammengesetzt ist – und zwar einer "1" und einer "0". Damit wäre dann wohl auch der letzte Zweifel ausgeräumt, dass Android Q schlussendlich als Android 10 veröffentlicht werden soll.

Das Android Q Logo beinhaltet bei näherer Betrachtung ebenfalls ein kleines Easter Egg.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Weiterlesen

Weitere Infos über all die Basisneuerungen von Android Q finden sich in unserem ausführlichen Hintergrundartikel zu diesem Thema. Derzeit ist die Testversion nur für Googles eigene Pixel-Smartphones verfügbar (alle drei Generationen), interessierte User können sich über das Android-Beta-Programm für ein entsprechendes Update anmelden. Dabei sei aber explizit davor gewarnt, dass es sich hier noch um eine frühe Testversion mit allerlei Fehlern und App-Kompatibilitätsproblemen handelt, für den Alltagseinsatz empfiehlt sich das Ganze derzeit also noch nicht.

Die nächste Beta für Android Q soll bereits Anfang April folgen, einen Monat später gibt es dann zu Googles Entwicklerkonferenz I/O die Beta 3, für die noch einmal ein ganzer Schub an neuen Funktionen erwartet wird. Die fertige Version soll im dritten Quartal erscheinen, angesichts des Zeitplans erscheint hier einmal mehr der August ein wahrscheinlicher Termin zu sein. (Andreas Proschofsky, 24.3.2019)