Zur Definition eines Planeten gehört, dass er seine Bahn von anderen größeren Objekten freigeräumt hat. Dafür bewegen sich die Planeten durch einen Staubschleier.
Illustration: NASA's Goddard Space Flight Center/Mary Pat Hrybyk-Keith

Im inneren Sonnensystem – also da, wo die Gesteinsplaneten inklusive unseres eigenen ihre Bahnen ziehen – macht man nicht alle Tage eine neue Entdeckung. Vor allem nicht so große Strukturen wie diejenigen, von denen US-Astronomen im "Astrophysical Journal" berichten: Sie beschreiben darin gewaltige Staubringe, die sich auf den Bahnen von Merkur und Venus um die Sonne ziehen. Und einen dieser Ringe werten die Forscher als Indiz dafür, dass sich im Venusorbit noch eine ganze Gruppe von Asteroiden befinden könnte, von denen man bisher nichts gewusst hat.

Ein System voller Ringe

Dass es auf der Bahn der Erde einen solchen Staubring gibt, weiß man schon seit einem Vierteljahrhundert. Das Material, aus dem er sich speist, dürfte großteils aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammen. Durch Kollisionen zwischen einzelnen Asteroiden wird laufend Material abgesprengt, das dann ins Innere des Sonnensystems wandert.

Das Wechselspiel der Gravitationskräfte sorgt dafür, dass sich der Staub auf den Bahnen der Planeten zu Ringen um die Sonne formt – das Goddard Space Flight Center der Nasa vergleicht den Ansammlungseffekt mit den Formationen, die Staub daheim in der Wohnung in Ecken und entlang von Regalen bildet. Allerdings ist er in den interplanetaren Staubringen wesentlich schwächer konzentriert: Ein solcher Ring steht für eine Zone, in der der Staubanteil lediglich ein paar Prozent höher ist als im umgebenden Weltraum. Dennoch sind solche Ringe per Teleskop erkennbar.

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Merkur hatte man bisher für zu klein gehalten, einen solchen Ring anzusammeln – immerhin gibt es mit Ganymed und Titan sogar zwei Monde, die größer sind als der innerste Planet des Sonnensystems. Dennoch gelang es Guillermo Stenborg und Russell Howard vom Naval Research Laboratory in Washington, einen solchen Ring nachzuweisen.

Es geschah zufällig, wie Stenborg einräumt. Denn normalerweise versuchen Astronomen eher, alle auf Staub zurückgehenden Messdaten auszufiltern. Kosmischer Staub reflektiert nämlich das Sonnenlicht und verdeckt damit den Blick auf das, was Astronomen beim Blick ins Zentrum des Sonnensystems normalerweise interessiert: die Prozesse in der Sonnenkorona.

Großräumige Verteilung

Stenborg und Howard wollten eigentlich nachweisen, wie Sonnenwind und Magnetkräfte den Raum um unser Zentralgestirn staubfrei halten. Dabei stellten sie allerdings fest, dass Merkur nicht wie erwartet innerhalb dieser Zone liegt. Stattdessen sammelt sich der Staub auf seiner Bahn sogar an: Dieser Ring hat eine um fünf Prozent höhere Staubkonzentration als das umgebende All, wie man aus dem reflektierten Licht ableiten kann. Er zieht sich um die ganze Sonne und ist an die 15 Millionen Kilometer breit (was in etwa einem Viertel des mittleren Abstands zwischen Merkur und Sonne entspricht). Auch Merkur "watet" also durch eine Staubspur, wie es die Forscher ausdrücken.

Im Ring auf der Venusbahn, den man schon früher entdeckt hat, ist die Staubdichte sogar um zehn Prozent höher. Der ebenfalls um die ganze Sonne verlaufende Venus-Ring hat einen elliptischen Querschnitt von 25 x 9,6 Millionen Kilometern. Das sind beeindruckende Dimensionen – dennoch könnte man das gesamte darüber verteilte Material zu einem Asteroiden von nur drei Kilometer Durchmesser komprimieren, wie die Forscher betonen.

Woher kommt das Material?

Nun ist im "Astrophysical Journal" eine neue Studie zu diesem Ring erschienen. Wie sich gezeigt hat, ist es nämlich nicht so einfach zu sagen, woher dieser Staub kommt. Die gleiche Quelle wie der Staubring der Erde, also der Asteroidengürtel, dürfte es aber nicht sein.

Marc Kuchner und Petr Pokorny vom Goddard Space Flight Center haben Computersimulationen durchgespielt und dafür alle möglichen Staubquellen herangezogen: vom Asteroidengürtel über die Angehörigen verschiedener Kometenfamilien bis zur Oortschen Wolke am äußersten Rand des Sonnensystems. Doch keines der Simulationsergebnisse wollte so recht zur tatsächlich vorhandenen Staubverteilung passen.

Das brachte die beiden Forscher schließlich auf die Idee, dass es sich bei der Staubquelle um Asteroiden handeln könnte, die der Venus wesentlich näher sind als die Brocken im Asteroidengürtel – möglicherweise sogar koorbitale Objekte. Wieder wurden verschiedene Varianten durchgespielt, das beste Ergebnis erzielte eine Gruppe von Asteroiden, die auf der Venusbahn in der gleichen Zeit um die Sonne ziehen wie der Planet selbst.

Hoffnung auf die nächste Entdeckung

Laut Kuchner und Pokorny ist es unwahrscheinlich, dass solche – vorerst noch hypothetischen – Asteroiden von weiter draußen im Sonnensystem in die Venusbahn eingewandert sind. Eher schon müssten sie Restbestände aus der chaotischen Frühzeit des Sonnensystem sein, also seit viereinhalb Milliarden Jahren ihre Bahn in unserer Nachbarschaft ziehen.

Damit wäre diese Asteroidengruppe nach den Ringen schon die nächste Entdeckung im inneren Sonnensystem – aber erst muss man sie aufspüren. Das Hubble-Teleskop oder der sonnenbeobachtende Stereo-Satellit der Nasa, der schon Stenborg und Howard beim Aufspüren des Merkur-Rings geholfen hat, müssten eigentlich in der Lage sein, diese versteckten Asteroiden aufzuspüren – so es sie wirklich gibt. (jdo, 25.3.2019)