Künstliches Tier mit Echtdarm: de Vaucasons Ente (1738).

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Das wechselseitige Verhältnis von Mensch und Maschine ist, ungeachtet seiner vielen kameradschaftlichen Aspekte, seit Anbeginn von Misstrauen geprägt. Gerade die Menschheit musste mühsam metaphysische Vorbehalte überwinden, um sich ihr Dasein von Blechkästen, mechanischen Enten, Schachautomaten und anderen sinnfälligen Apparaturen erleichtern zu lassen.

Ein besonderer Segenspender der modernen Luftfahrt hat soeben, metaphorisch gesprochen, die rote Karte gezeigt bekommen. Die Passagiermaschine des Typs Boeing 737 Max wurde wegen des dringenden Verdachts auf Eigenmächtigkeit vorübergehend aus dem Luftverkehr gezogen.

Die Tücke des Objekts liegt in diesem Fall in der Eigenmächtigkeit eines als clever einzustufenden Mechanismus. Die Software der Maschine soll die Nase des Jumbos mit sanfter Gewalt nach unten gedrückt haben. Das zugrunde liegende Kalkül könnte man als Freude an der Kompensationsleistung beschreiben: Weil der Sitz der Antriebskörper einen unerwünschten Auftrieb des Flugzeugs verursacht hatte, sollte die "kluge" Software ausgleichend wirken.

Gott als Mechaniker

Solche eindrucksvollen Proben angewandter maschineller Intelligenz sind auf dem Mist einer Einsicht gewachsen, die das Gottvertrauen von uns Menschen während vieler tausend Jahre auf eine harte Probe gestellt hat. Schon griechische Meisterdenker wie Thales, Epikur oder Demokrit vertraten die vernünftige Auffassung, dass selbst Gedanken, Gefühle oder das Bewusstsein auf die Materie zurückgeführt werden können. Ein solches Weltbild tut, jedenfalls der Tendenz nach, der Idee einer göttlichen Schöpferinstanz empfindlichen Abbruch. Tatsächlich wird man sich einen vollkommenen Gott nicht als eingreifenden Mechaniker vorstellen wollen, der einer dringend renovierungsbedürftigen Welt mit einem unendlich großen Schraubenzieher zu Leibe rückt.

Erst in der Umkehrung gestaltet sich die Sache logisch. Eben weil dem Menschen in Hinsicht auf seine Lebensfunktionen maschinelle Züge eignen, vermag er sich, allein schon durch Analogiebildung, Apparate auszudenken, die ihm die Mühsal des Lebens erleichtern. Maschinen sind Prothesen.

Ihre Funktionsweisen schließen elektrisierte Webkunst ebenso ein wie den Verbrennungsmotor. Doch ab einem gewissen Punkt technischer Produktivkraftentfaltung, die für beliebig hohe Profite sorgt und für pflegeweiche Hände, beschleicht den Gebieter von Apparaten ein grauenhafter Verdacht. Die Blechtrottel, so mutmaßt der von Maschinen düpierte Mensch, konspirieren gegen uns. Irgendwo innerhalb ihrer schleierhaften Konstruktion schlummert das Vermögen, Bewusstsein auszubilden und sich wider uns, ihre Herrinnen und Meister, zu empören.

Alter Antagonismus

Alles das beruht auf der kränkenden Einsicht, die physiologischen Voraussetzungen für unser sittlich wertvolles Handeln bilden einen Bausatz. Ein Set von beachtlicher Komplexität; jedoch nichts, was findige Ingenieurskunst nicht à la longue (besser) zusammenzustecken wüsste.

Der alte Antagonismus von Mensch und Maschine basiert daher am ehesten auf geschwisterlicher Rivalität. Ungleich sind die Folgen des Konflikts: Widerborstigen Computern, die das Schicksal der ihrem Schutz anvertrauten Menschenkinder mutwillig aufs Spiel setzen, wird – Strafe muss sein! – der Stecker gezogen. Denken wir nur an Stanley Kubricks 2001, an den entsetzlichen Bordcomputer Hal.

Die Software von Boeing dürfte sich, wäre sie intelligibel und somit sittlich verantwortlich, über ihre Außerdienststellung nicht beschweren. Aber die Kunststücke einer noch zu erwartenden Robotik werden in den Laboratorien diverser Techno-Giganten längst erprobt. Nicht über die Tücke, sondern über die Empfindsamkeit unserer künstlichen Freunde hat der Dichter Konrad Bayer vor mehr als 50 Jahren Wesentliches verraten. Künstliche Enten, schrieb er, picken künstliche Futterkörner. Und produzieren echten Dreck. (Ronald Pohl, 23.3.2019)