Caster Semenya ist über die 800 m der Frauen das Maß aller Dinge.

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Der UN-Menschenrechtsrat verurteilt die vom Leichtathletikweltverband IAAF angestrebte Einführung einer Testosteronregel für Frauen. Die IAAF plant, für Laufstrecken zwischen 400 Meter und einer Meile (rund 1610 m) einen Grenzwert von fünf Nanomol pro Liter einzuführen. Die südafrikanische 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya geht derzeit vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS gegen dieses Ansinnen vor. Zunächst hätte das Urteil in Lausanne bis 26. März fallen sollen, der CAS vertagte aber bis Ende April, da beide Seiten weitere Unterlagen eingereicht und sich auf eine Verschiebung der Entscheidung geeinigt hätten.

Laut der vom UN-Menschenrechtsrat auf Anregung von Südafrika einstimmig verabschiedeten Resolution verstoße die IAAF möglicherweise gegen "internationale Menschenrechtsnormen und -Standards". Die Resolution richtete sich an Regierungen. Diese müssten sicherstellen, dass Sportorganisationen die Entwicklung und Durchsetzung von Strategien und Vorgehensweisen, die weibliche Athletinnen dazu zwinge, "unnötige, demütigende und schädliche medizinische Abläufe" über sich ergehen zu lassen, aufhalten.

Das Vorhaben der IAAF würde Athletinnen mit "Differences of Sexual Development" (DSD) wie Hyperandrogenämie, einer hormonellen Störung, dazu nötigen, ihren Testosteronwert, der teilweise deutlich über dem Grenzwert liegt, künstlich zu senken. Dies hatte Semenya in ihrer Karriere bereits mehrmals machen müssen, ehe die indische Sprinterin Dutee Chand 2015 vor dem CAS mit einem Einspruch Erfolg hatte. Der Weltverband erhielt zwei Jahre Zeit, wissenschaftliche Beweise zu liefern.

Rückendeckung

Semenya, inzwischen 28 Jahre alt, hat seit ihrem ersten Weltmeistertitel 2009 in Berlin mit dem Vorurteil zu kämpfen, eigentlich ein Mann zu sein. Rückendeckung erhielt die nun zweimalige Olympiasiegerin zuletzt erneut aus der Wissenschaft. Im renommierten British Medical Journal (The BMJ) übten zwei Medizinerinnen deutliche Kritik am Vorhaben der IAAF. Die Annahme, dass Testosteron der Hauptindikator für das Geschlecht und die Leistungsfähigkeit von Sportlern sei, widerspreche dem wissenschaftlichen Forschungsstand, erklärten sie nach einem Bericht des Guardian. "Männer haben normalerweise einen höheren Testosteronwert als Frauen – aber nicht immer. Das Hormonlevel im Blut hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Beispielsweise Alter, Gesundheitszustand oder Stress", sagte Sheree Bekker von der Universität Bath: "Aufgrund dessen kann es Überschneidungen in der Testosteronkonzentration im Blut von Männern und Frauen, insbesondere bei Sportlern, geben."

Was man derzeit sehe, sei eine Überwachung des weiblichen Körpers, problematischerweise gerechtfertigt mit dem Verweis auf das Fair Play oder den Schutz anderer Frauen. "Wir müssen nicht beschützt werden vor anderen Frauen, wie Männer nicht vor anderen Männern beschützt werden müssen", sagte Bekker. "Kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem wir großen Leute verbieten, Basketball zu spielen, oder Schwimmer mit langen Armen verbannen? Dies sind natürliche Vorteile." (sid, red, 22.3.2019)