Mit anderen mitfühlen können, macht Menschen zu sozialen Wesen. Die Spiegelneuronen spielen eine wichtige Rolle für diese Fähigkeit, bei Borderline-Patientinnen werden sie anders reguliert.

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Sie durchleben extreme Stimmungsschwankungen, sind impulsiv und haben häufig Probleme mit ihrem Umfeld. Überdurchschnittlich oft sind es junge Frauen, die vom Borderline-Syndrom betroffen sind. Unter dieser komplexen Persönlichkeitsstörung, auch BPS abgekürzt, leiden nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch Partner und Bezugspersonen. Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universitäten Ulm und Innsbruck haben nun mithilfe einer funktionellen Bildgebungsstudie die Hirnaktivitäten von Patientinnen mit Borderline-Störung untersucht. Dabei wurde ein interessanter Befund vorgelegt.

"Die emotionale Überempfindlichkeit von Borderline-Patientinnen wird begleitet von einer erhöhten Aktivität spezifischer Spiegelneuronen", erklärt Roberto Viviani. Der Bildgebungsexperte forscht an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III der Universität Ulm zur Emotionsregulierung.

Auf Negatives fokussiert

Spiegelneuronen sind im präfrontalen und im sensorischen Cortex des Gehirns zu finden. Das Besondere an diesen Neuronen: Diese Nervenzellen werden bereits durch die Beobachtung von Handlungen und die Fremdwahrnehmung von Gefühlen stimuliert. Sie sind damit entscheidend für das Lernen durch Nachahmung und das Nacherleben von Emotionen.

Als eine Art Resonanzsystem im Gehirn reagieren diese besonderen Nervenzellen sehr sensibel auf die Gefühle und Stimmungen anderer, weshalb sie nicht nur für die Empathie-Fähigkeit des Menschen entscheidend sind, sondern auch eine Schlüsselrolle bei der sogenannten emotionalen Ansteckung spielen.

Die Ulmer Forscherinnen aus der Arbeitsgruppe von Viviani haben nun in Zusammenarbeit mit Wissenschafterinnen aus Österreich herausgefunden, dass BPS-Patientinnen besonders stark auf Szenen von Verlust und Trauer reagieren. Wie die Aufnahmen aus der magnetresonanztomografischen Untersuchung (MRT) zeigten, waren bestimmte Areale im Spiegelneuronensystem deutlich stärker aktiviert als in der "normalen" Kontrollgruppe, wenn die Personen mit Verlust konfrontiert wurden. Entwickelt wurden die Szenen am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck von Karin Labek. "Dieser Befund könnte erklären, warum Menschen, die unter einer Borderline-Störung leiden, für solche negativen Gefühle so empfänglich sind und so extrem darauf reagieren", so Labek. Bereits bekannt ist, dass überdurchschnittlich viele Borderline-Patientinnen und -Patienten auch unter Depressionen leiden.

Unterschiede im Gehirn

Ein weiterer Befund, der bei der Untersuchung zutage trat, war für das Forscherteam noch überraschender. So war auf den MRT-Aufnahmen im Vergleich mit der gesunden Kontrollgruppe deutlich zu erkennen, dass es weitere Unterschiede im präfrontalen Cortex gab. Hier zeigte sich, dass bei den BPS-Patientinnen ein Bereich weitaus weniger stark aktiviert war, der für die kognitive Beurteilung von Gefühlszuständen anderer entscheidend ist.

Dieser Bereich ist für die sogenannte "Mentalisierung" verantwortlich, also für die reflektive Einstufung von Gefühlswahrnehmungen. Diese Mentalisierung braucht es, um die Absichten und Motivationen anderer Menschen einschätzen zu können. "Dieser Befund könnte erklären, warum es den Borderline-Betroffenen so schwerfällt, sich in andere hineinzuversetzen und deren Perspektive zu übernehmen", meint Zrinka Sosic-Vasic.

"Beide Beobachtungen passen nicht nur sehr gut ins Bild dieser besonderen Persönlichkeitsstörung. Sie können auch dabei helfen, die komplexen psychologischen Mechanismen aufzuklären, die dieser Störung zugrunde liegen, und damit die neurobiologischen Grundlagen für neue Psychotherapieansätze schaffen", meint Viviani. Möglicherweise lassen sich hier Ansatzpunkte finden, die den Betroffenen dabei helfen, Kommunikationssituationen zu reflektieren und ihr Gegenüber besser zu verstehen. (red, 27.3.2019)