Die Landwirte sind aus praktikablen Gründen strikt gegen den Vorschlag von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, Flüchtlinge als Erntehelfer zu verpflichten.

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Ist es legitim, Flüchtlinge zur Arbeit zu zwingen oder nicht? Sozialministerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ hat vergangene Woche mit ihrem in der "Kronen Zeitung" lancierten Vorschlag viel Staub aufgewirbelt. Ihre Idee, Asylberechtigte "verpflichtend" in der Land- oder Forstwirtschaft einzusetzen, ging zunächst dem Koalitionspartner ÖVP und schließlich auch ihr selbst zu weit. An eine Gesetzesänderung sei gar nicht gedacht gewesen, so Hartinger-Klein, man wolle nur bestehende Instrumente besser nutzen, um Flüchtlinge zur Arbeitsaufnahme zu bringen.

Die moralische Debatte rund um das Thema verstellt den Blick auf eine andere, vielleicht sogar zentrale Frage: Wie denken eigentlich Unternehmer darüber, also wollen sie überhaupt Mitarbeiter aufnehmen, die zwangsverpflichtet werden?

DER STANDARD hat sich unter Firmenchefs, Personalverantwortlichen diverser Unternehmer und Jobvermittlern umgehört, um sich ein Bild zu machen. Tenor der Antworten: Unternehmer wollen keine Mitarbeiter aufnehmen, wenn diese verpflichtet werden, weil sie mit negativen Konsequenzen für die Firma rechnen und zusätzliche Kosten fürchten.

Timing bei der Ernte

Klaus Hraby, Geschäftsführer des Gurkerlerzeugers Efko, sagt, Mitarbeiter aufzunehmen, die den Job nicht freiwillig wollen, sei "vollkommen sinnlos". Er begründet dies so: Gerade in der Landwirtschaft sei das Timing entscheidend. Wer reife Erdbeeren einen Tag zu lange auf dem Feld lässt, müsse damit rechnen, dass die Ernte kaputtgeht.

Ähnliches gilt für Gurken: Bleiben diese bei heißem Wetter ungeerntet, werden sie groß und können am Markt nur billiger verkauft werden. Die Landwirte, die Efko beliefern, hätten mit Mitarbeitern, die nicht freiwillig kommen, schon in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht, sagt Hraby. So schickt das Arbeitsmarktservice AMS immer wieder Leute unter Androhung von Sanktionen. Oft arbeiten diese Menschen einen Tag. Dann tauchen sie nicht mehr auf. Das sei fatal, weil die Erntearbeit nicht planbar wird, so Hraby.

Bei Erntepartien, sei es aus der Ukraine oder Serbien, gibt es dagegen eine klare Jobmotivation: "Die Menschen kommen und wollen in der Zeit so viel wie möglich arbeiten. Für acht Wochen nehmen sie 2.000 Euro netto mit. Zu Hause entspricht das einem Lohn für ein halbes Jahr", so Hraby. Und: Bei Leuten, die nur demotiviert sind, bestehe die Gefahr, dass sie andere runterziehen und das Betriebsklima kaputtmachen.

Auswirkungen aufs Team

Karl Lang, stellvertretender Leiter der Personalabteilung bei Siemens, sagt, dass "zu den ersten Themen, auf die bei Bewerbern geachtet wird, Motivation und Engagement gehören". Arbeitnehmer einzustellen, die das nicht mitbringen, bedeute nur höheren Aufwand für das Unternehmen. Man besetze eine Position, die nach kurzer Zeit höchstwahrscheinlich wieder neu besetzt werden muss. Nur motivierte Mitarbeiter seien leistungsbereit und stehen loyal zum Unternehmen. Auch er sagt: Offensichtlich demotivierte Kollegen können sich negativ auf ein Team auswirken.

Viel mit dem Thema beschäftigt hat sich Bernhard Ehrlich. Er organisiert mit seinem Verein "10.000 Chancen" regelmäßig Jobmessen, unter anderem für Ältere, für Lehrlinge, für Flüchtlinge. "Menschen in einen Job zu bringen, sodass es für die Unternehmen funktioniert, klappt nur, wenn es auf Freiwilligkeit beruht", sagt Ehrlich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie einen Unternehmer finden, der das anders beurteilt."

Im Trend: eigenverantwortlich arbeiten

Denn allein schon müssen Firmen neue Leute einschulen, ihnen Arbeitsabläufe zeigen. Bereits dieser Aufwand zahle sich bei Menschen nicht aus, die gar nicht arbeiten wollen. Unternehmen sind bereit, in Menschen zu investieren, wenn sie ein Potenzial sehen, das sich formen lässt, aber nicht, wenn sogar das fehlt.

Franz-Josef Lackinger, Geschäftsführer des BFI-Wien, eines Instituts für Erwachsenenbildung, sagt, dass bei jeder Tätigkeit in einem Unternehmen, die noch von Menschen verrichtet wird, ein gewisser Spielraum für die Arbeitnehmer bestünde, der mit entscheidend dafür ist, wie gut oder schlecht die Arbeit verrichtet wird. Ob die Mitarbeiter mit einem Mindestmaß an Ehrgeiz dabei sind, sei also relevant dafür, ob das Arbeitsergebnis passt oder nicht. Und: Bei nicht zufriedenen Mitarbeitern, steige das Risiko für Krankenstände und Burn-out.

Bernhard Posch, oberste Personalentwickler bei AVL, einem auf Antriebssysteme spezialisierten Unternehmen, macht auf noch etwas aufmerksam. Er spricht von einer Transformation: Es werde immer weniger nach Stechuhr und unter ständiger Kontrolle gearbeitet. Zunehmend wichtiger wäre eigenverantwortliches Arbeiten, wobei nur Ziele vorgegeben sind, die Beschäftigten aber den Weg selbst mitgestalten können. "Hier zu sagen, dass es auf die Motivation ankommt, ist eine No-na-Aussage." (András Szigetvari, 26.3.2019)