Es tut sich etwas in Sachen Mobilität – und das abseits der Frage nach der Antriebstechnologie bei den Autos. Die VW-Tochter Audi will mit Audi on demand 2019 "in zahlreichen Städten weltweit" durchstarten und durch Autovermietung, Infotainment und andere digitale Geschäftsmodelle 2025 eine Milliarde Euro Betriebsgewinn erwirtschaften. VW wagt sich mit Moia, einem Sammeltaxi 2.0 und der Antwort der Wolfsburger auf Uber und Car2Go, in eine Welt, in der nicht Autos, sondern Mobilität verkauft wird.

Deutschlands größter Autovermieter Sixt startet sein eigenes Carsharing und vernetzt alle Angebote auf einer App. "Mit Sixt Share starten wir nicht einfach noch eine Carsharing-Marke, sondern definieren durch die Verschmelzung von Autovermietung und Carsharing eine neue Produktkategorie", sagt Strategievorstand Alexander Sixt Ende Februar in München. Man komme damit der "Vision eines globalen Anbieters individueller Mobilität ein großes Stück näher". Auch in kleinen Städten könnten die Kunden Fahrzeuge für wenige Minuten bis zu 27 Tage mieten. Mit Sixt-Ride, einem Fahrtenvermittlungsdienst, mit der Option, auch Taxis über die eigene App zu buchen, will man auch nach Österreich. Entsprechende Gespräche werden derzeit geführt.

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1975 taucht der Begriff Carsharing in in der Londoner "Times" auf: "Car-sharing among plans to ease London traffic". Die Stadtverwaltung wandte sich damals mit der noch nicht ganz ausgegorenen Idee einer gemeinsamen Autonutzung gegen einen Automobilclub, der mehr und breitere Straßen gegen den Verkehrskollaps forderte.
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Sixt hatte seine Anteile am Carsharing-Dienst Drive Now Anfang 2018 seinem damaligen Partner BMW verkauft. Der hat sich nun mit Daimler zusammengetan. Eine Milliarde Euro wollen die beiden Autobauer in ihre gemeinsame Mobilitätsfirma stecken. Insgesamt verzahnen sie 14 Marken, darunter die Carsharing-Dienste Drive Now und Car2Go. Weitere Angebote bis hin zu autonomen Autos oder gar Lufttaxis könnten dazukommen.

Großspurige Ankündigungen, denn niemand kann derzeit so genau sagen, wohin die Reise geht. Werden wir künftig tatsächlich weniger Autos selbst besitzen, oder bleibt das ein frommer Wunsch der Verkehrsplaner, der allenfalls für eine kleine urbane Boboschicht umsetzbar ist? Werden wir mit dem Aufkommen autonom fahrender Autos weniger Individualverkehr in den Städten haben, oder wird das Gegenteil der Fall sein?

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Das Argument für die Fusion von Drive Now und Car2Co, die schon lange in der Luft lag: Auf Dauer könne es nicht sein, dass sich die Carsharing-Dienste in einzelnen Städten mit großem Aufwand Konkurrenz machen, während Start-ups wie Uber und Lyft oder Tech-Riesen wie Google den Markt für App-basierte Fahrdienste und künftige Robotaxis aufrollen.
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Fragen, die so schnell nicht eindeutig zu beantworten sind. Dennoch wollen und müssen die Hersteller in Dienstleistungen rund um die Mobilität investieren, ehe diese Felder komplett von Tech-Anbietern wie Uber oder Lyft besetzt werden. Dass Carsharing bei weitem nicht so rasch auf die Beine kommt, wie viele das vor Jahren prophezeit haben, zeigt auch die Fusion. Profitabel müsse sie werden, die neue Mobilitätsfirma, das haben sich BMW und Daimler jedenfalls vorgenommen. In der Vergangenheit wurde in diesem Segment eher Geld verbrannt. Im Markt für Mobilitätsservices müsse man sich in den nächsten zwei bis vier Jahren positionieren, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Das ist ein Geschäft, in dem Größe zählt. Wir wollen schnell wachsen und natürlich Geld verdienen."

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Carsharing-Angebote gibt es vor allem in Städten. Auf dem Land sorgen oft Gemeinden dafür, dass ihre Bewohner etwa mit Sammeltaxis oder Dorfbussen mobil sind.
AP

Die meisten Experten halten das für eine vielversprechende Idee. "Es geht darum, wirklich große Kundengruppen zu erreichen", sagt etwa der deutsche Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Davon würden auch die Kunden profitieren, wenn diverse Angebote in einer App funktionieren. Derzeit sind deren viele nötig, um mit Bahn, Taxi, Leihauto oder E-Scooter von A nach B zu kommen. Hierzulande werden die Auswirkungen der Fusion überschaubar sein. Zumindest in naher Zukunft. Das aufregendste was derzeit abzusehen ist: Die Taxiapp Mytaxi, wird Wien in den nächsten Wochen um einen weiteren E-Scooter-Verleih bereichern. Die wahren Anstrengungen passieren im Hintergrund – und das sowohl in den Städten, als auch am Land.

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Auch das autonome Fahren wird künftig eine Rolle spielen. Nissan hat hier schon einmal seine Ideen vorgestellt.
Foto: AP Photo/Shizuo Kambayashi

Wien sei mit seiner App WienMobil schon sehr gut unterwegs sagt Markus Gansterer, Mobilitätsexperte beim Verkehrsclub Österreich. Auch Graz hat bereits eine sehr fortschrittliche Mobilitätsapp. Am Land dagegen klemmen sich viele Gemeinden dahinter, um ihren Bürgern und Bürgerinnen Dorfbusse oder Sammeltaxis zur Verfügung zu stellen. Die ÖBB dagegen traut sich mit ihrem Car-Sharing-Angebot "Rail and Drive" auch in kleinere Städte, die für große Anbieter vollkommen uninteressant sind.

Die hohe Kunst der multimodalen Mobilität verlangt den Akteuren allerdings einiges an Integrationsarbeit ab. Die Lobbyisten für einen grüneren Verkehr verweisen auf das Vorbild Schweden. Der Knackpunkt für den Erfolg der dortigen Mobilitätsapp UbiGo war ein Abo-Modell für die via Carsharing zurückgelegte letzte Meile vom Bahnhof zum Ziel. Für dieses fortgeschrittene Modell braucht es Kooperationen und willige Partner, sagt Gansterer. Ob man dabei Player wie Uber und Co an Bord haben will und wieweit man das Ökosystem Verkehr öffnet, das müsse die Politik klären.

Was die Carsharing-Fusion für Nutzer in Österreich bedeutet:

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Noch ist nicht viel passiert. Nach dem Zusammenschluss von Car2Go (Mercedes) und Drive Now (BMW) zu Share Now werden nun auch für Wien die Fahrzeuge beider Anbieter in beiden Apps angezeigt. Das alleine erzeugt noch keinen Zusatznutzen. Denn wer als Car2Go-Nutzer auch das Angebot von Drive Now in Anspruch nehmen will oder umgekehrt, muss sich beim jeweils anderen Sharing-Anbieter registrieren – wenn auch kostenlos. Langfristig soll das anders aussehen. Geplant ist ein integrierter Dienst in einer einzigen App. Auch die Autos schauen aus wie eh und je, das soll sich ebenfalls ändern. Nutzbar ist das Angebot nur in Wien.
Foto: Reuters/Wolfgang Rattay

Taxi-App Mytaxi wird zu Free Now mit E-Roller

Uber soll sich in Wien künftig an die fixen Taxitarife halten. Der US-Fahrdienstvermittler stellt die Software zur Verfügung, die Fahrer sind nicht bei Uber angestellt. Ein Unterschied, auf den neben den Taxiunternehmern auch Mytaxi pocht. Bis zum Sommer wird die Marke zu Free Now, die App wird neu designt, die Nutzer sollen davon wenig spüren. Mytaxi arbeitet im Prinzip wie das US-Pendant: Der Kunde findet und bestellt via App, den Transport übernimmt dann aber ein lizenziertes Taxi zum Taxitarif, nutzbar in Salzburg und Wien. In Planung ist außerdem "MytaxiMatch" und das geht so: Suchen zwei Personen ein Taxi für dieselbe Strecke, können sie teilen, damit wäre auch der Preis günstiger. Ob das in Salzburg und Wien oder nur in einer der Städte und da vielleicht auch nur anlässlich bestimmter Events ausgerollt wird, darüber tüftelt man noch. In den nächsten Wochen kommt jedenfalls auch der E-Scooter-Verleih Hive nach Wien. Wie bei der Konkurrenz orten und leihen Nutzer über die App elektrische Roller. Das soll langfristig in die Free-Now-App integriert werden.
Foto: STANDARD/Cremer

Die hohe Kunst der multimodalen Mobilität

Es ist das, was sich Nutzer erhoffen: Reach Now ist eine multimodale Mobilitätsapp, die mehrere Verkehrsmittel verbindet, sodass man Bahn, Öffis, Taxi und Carsharing nicht mehr getrennt buchen und bezahlen muss. In einigen deutschen Städten geht das in verschiedenen Ausprägungen. Eine Auflage bei der Fusion: Die Unternehmen müssen Schnittstellen bereitstellen, sodass andere Mobilitätsanbieter die Carsharing-Angebote in ihre App integrieren können. Hierzulande sind verschiedene Verkehrsbetriebe am Thema dran. In Graz etwa oder in Wien. Hier hat die Stadtwerketochter Upstream Mobility mit der App WienMobil ein vergleichbares Modell, das künftig noch mehr können soll. So kann man Verkehrsinformationen abrufen, Wiener-Linien-Tickets kaufen, ein ÖBB-Ticket aber nicht. Taxi 40100 oder der Autoverleiher Europcar scheint in der App auf, Uber und Mytaxi nicht. Work in Progress sei das alles, heißt es bei den Wiener Linien.
Foto: Intelligent Apps

(Regina Bruckner, 26.3.2019)