Es tut sich etwas in Sachen Mobilität – und das abseits der Frage nach der Antriebstechnologie bei den Autos. Die VW-Tochter Audi will mit Audi on demand 2019 "in zahlreichen Städten weltweit" durchstarten und durch Autovermietung, Infotainment und andere digitale Geschäftsmodelle 2025 eine Milliarde Euro Betriebsgewinn erwirtschaften. VW wagt sich mit Moia, einem Sammeltaxi 2.0 und der Antwort der Wolfsburger auf Uber und Car2Go, in eine Welt, in der nicht Autos, sondern Mobilität verkauft wird.
Deutschlands größter Autovermieter Sixt startet sein eigenes Carsharing und vernetzt alle Angebote auf einer App. "Mit Sixt Share starten wir nicht einfach noch eine Carsharing-Marke, sondern definieren durch die Verschmelzung von Autovermietung und Carsharing eine neue Produktkategorie", sagt Strategievorstand Alexander Sixt Ende Februar in München. Man komme damit der "Vision eines globalen Anbieters individueller Mobilität ein großes Stück näher". Auch in kleinen Städten könnten die Kunden Fahrzeuge für wenige Minuten bis zu 27 Tage mieten. Mit Sixt-Ride, einem Fahrtenvermittlungsdienst, mit der Option, auch Taxis über die eigene App zu buchen, will man auch nach Österreich. Entsprechende Gespräche werden derzeit geführt.
Sixt hatte seine Anteile am Carsharing-Dienst Drive Now Anfang 2018 seinem damaligen Partner BMW verkauft. Der hat sich nun mit Daimler zusammengetan. Eine Milliarde Euro wollen die beiden Autobauer in ihre gemeinsame Mobilitätsfirma stecken. Insgesamt verzahnen sie 14 Marken, darunter die Carsharing-Dienste Drive Now und Car2Go. Weitere Angebote bis hin zu autonomen Autos oder gar Lufttaxis könnten dazukommen.
Großspurige Ankündigungen, denn niemand kann derzeit so genau sagen, wohin die Reise geht. Werden wir künftig tatsächlich weniger Autos selbst besitzen, oder bleibt das ein frommer Wunsch der Verkehrsplaner, der allenfalls für eine kleine urbane Boboschicht umsetzbar ist? Werden wir mit dem Aufkommen autonom fahrender Autos weniger Individualverkehr in den Städten haben, oder wird das Gegenteil der Fall sein?
Fragen, die so schnell nicht eindeutig zu beantworten sind. Dennoch wollen und müssen die Hersteller in Dienstleistungen rund um die Mobilität investieren, ehe diese Felder komplett von Tech-Anbietern wie Uber oder Lyft besetzt werden. Dass Carsharing bei weitem nicht so rasch auf die Beine kommt, wie viele das vor Jahren prophezeit haben, zeigt auch die Fusion. Profitabel müsse sie werden, die neue Mobilitätsfirma, das haben sich BMW und Daimler jedenfalls vorgenommen. In der Vergangenheit wurde in diesem Segment eher Geld verbrannt. Im Markt für Mobilitätsservices müsse man sich in den nächsten zwei bis vier Jahren positionieren, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Das ist ein Geschäft, in dem Größe zählt. Wir wollen schnell wachsen und natürlich Geld verdienen."
Die meisten Experten halten das für eine vielversprechende Idee. "Es geht darum, wirklich große Kundengruppen zu erreichen", sagt etwa der deutsche Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Davon würden auch die Kunden profitieren, wenn diverse Angebote in einer App funktionieren. Derzeit sind deren viele nötig, um mit Bahn, Taxi, Leihauto oder E-Scooter von A nach B zu kommen. Hierzulande werden die Auswirkungen der Fusion überschaubar sein. Zumindest in naher Zukunft. Das aufregendste was derzeit abzusehen ist: Die Taxiapp Mytaxi, wird Wien in den nächsten Wochen um einen weiteren E-Scooter-Verleih bereichern. Die wahren Anstrengungen passieren im Hintergrund – und das sowohl in den Städten, als auch am Land.
Wien sei mit seiner App WienMobil schon sehr gut unterwegs sagt Markus Gansterer, Mobilitätsexperte beim Verkehrsclub Österreich. Auch Graz hat bereits eine sehr fortschrittliche Mobilitätsapp. Am Land dagegen klemmen sich viele Gemeinden dahinter, um ihren Bürgern und Bürgerinnen Dorfbusse oder Sammeltaxis zur Verfügung zu stellen. Die ÖBB dagegen traut sich mit ihrem Car-Sharing-Angebot "Rail and Drive" auch in kleinere Städte, die für große Anbieter vollkommen uninteressant sind.
Die hohe Kunst der multimodalen Mobilität verlangt den Akteuren allerdings einiges an Integrationsarbeit ab. Die Lobbyisten für einen grüneren Verkehr verweisen auf das Vorbild Schweden. Der Knackpunkt für den Erfolg der dortigen Mobilitätsapp UbiGo war ein Abo-Modell für die via Carsharing zurückgelegte letzte Meile vom Bahnhof zum Ziel. Für dieses fortgeschrittene Modell braucht es Kooperationen und willige Partner, sagt Gansterer. Ob man dabei Player wie Uber und Co an Bord haben will und wieweit man das Ökosystem Verkehr öffnet, das müsse die Politik klären.
Was die Carsharing-Fusion für Nutzer in Österreich bedeutet:
Taxi-App Mytaxi wird zu Free Now mit E-Roller
Die hohe Kunst der multimodalen Mobilität
(Regina Bruckner, 26.3.2019)