Der Sprecher der Identitären – das Bild stammt von einer Demo in Wien im Juni 2015 – bekam eine "unverhältnismäßig hohe Spende".

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien/Christchurch – Im Zuge von Ermittlungen zu dem antimuslimischen Anschlag in Neuseeland, bei dem 50 Menschen getötet wurden, hat es am Montag eine Hausdurchsuchung in Wien gegeben. Nachdem Martin Sellner, Sprecher der rechtsextremen "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ), bereits in einem am Montagabend veröffentlichten Video mitgeteilt hatte, dass seine Wohnung durchsucht wurde, weil er eine Spende des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch erhalten habe, bestätigte das Innenministerium das am Dienstagmittag.

Die Kontakte des rechtsextremen Christchurch-Attentäters rufen auch die Opposition auf den Plan. Sie vermutet schwere Versäumnisse der Sicherheitsbehörden. Die SPÖ macht Innenminister Kickl (FPÖ) direkt verantwortlich, weil er den Geheimdienst geschwächt habe.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) habe die Hausdurchsuchung auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz durchgeführt, sagte Innenministeriumssprecher Christoph Pölzl. Die Staatsanwaltschaft bestätigte daraufhin der APA, dass die Hausdurchsuchung in ihrem Auftrag erfolgt war: "Ein Ermittlungsverfahren ist bei uns anhängig", sagte deren Sprecher Hansjörg Bacher. Die Verbindung zwischen Sellner und dem Attentäter von Neuseeland werde geprüft.

Grund für die Hausdurchsuchung war eine Spende von rund 1.500 Euro. Diese dürfte schon 2018 auf dem Konto der Identitären eingegangen sein und war den Behörden bereits länger bekannt. Sie ist bei den Ermittlungen zu möglichen Finanzvergehen Sellners aufgefallen, weil sie höher war als andere Spenden. "Nun hat sie ein Gesicht bekommen", sagt Bacher, denn der E-Mail-Absender passte zum Namen des Mannes, der in Christchurch 50 Menschen getötet hatte. "Das war für uns ausschlaggebend, die Sache zu durchleuchten." Eine Initialzündung aus dem Ausland oder von einer anderen Behörde habe es für die Hausdurchsuchung nicht gegeben, so Bacher.

Wohnung in Wien durchsucht

Dabei wurde die Wohnung Sellners durchsucht und nicht die Hauptquartiere der IBÖ in Graz, wie Bacher dem STANDARD bestätigt. Ob es weitere Hausdurchsuchungen geben werde, wolle die Staatsanwaltschaft "aus kriminaltechnischen Gründen derzeit" nicht sagen.

Es wurden alle in der Wohnung gefundenen Datenträger sichergestellt. Diese würden nun gesichtet und ausgewertet. Anschließend wird der entsprechende Polizeibericht bei der Staatsanwaltschaft erwartet. Die Ermittlungen laufen derzeit wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, denn "das passt am ehesten zum Erstverdacht". Wird der Sachverhalt geklärt, könne sich das aber natürlich noch ändern, so Bacher.

Sellner hatte in seinem rund 15-minütigen Video gesagt, dass gegen ihn wegen der "Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" ermittelt werde. Er räumte ein, eine "unverhältnismäßig hohe Spende" von einer E-Mail-Adresse erhalten zu haben, die im Nachnamen jenen des rechtsextremen Attentäters enthielt. Für die Spende habe er sich per E-Mail auch bedankt: "Ein Dankes-E-Mail bekommt jeder, der mich unterstützt." Zwar habe er die Spende melden wollen, da er gewusst habe, dass auch in Österreich Ermittlungen liefen, so Sellner, doch sei es dazu vor der Hausdurchsuchung nicht mehr gekommen.

Spende soll an karitative Einrichtung gehen

Die Summe der Spende werde er an eine karitative Einrichtung weitergeben, mit dem Terroranschlag habe er "nichts zu tun", betonte Sellner. Er habe keinen Kontakt zu Brenton T. gehabt und ihn auch nie getroffen. Zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse machte Sellner mehrmals unklare Angaben. So erklärte er zunächst etwa, dass die Spende des Attentäters von Anfang 2018 stamme, dann wiederum, dass er sie "Anfang des Jahres" erhalten habe.

Wenige Stunden später, am Dienstagnachmittag, gab es einen zweiten Beitrag auf Youtube, in dem Sellner nicht nur detailliert über die Beschaffung einer neuen SIM-Karte, den Wiener Wind und die Auswirkungen auf seine Frisur parlierte, sondern auch ankündigte, am Freitag bei einer "improvisierten Pressekonferenz" Rede und Antwort stehen zu wollen.

"Absoluter Scheißdreck"

Sellner verteidigte sich in dem Video. Er habe von "diesem Mann" nur "passiv eine Spende bekommen". "Wie soll ich bitte riechen, dass dieser Typ später einen Terroranschlag begeht", so Sellner, der einräumte, dass er sich mit dem Mann auch auf einen Kaffee getroffen hätte, wenn dieser ihn angeschrieben hätte, als er in Österreich war. "Das wäre vielleicht sogar gut gewesen, wenn ich mich mit ihm getroffen hätte", so Sellner weiter, "weil dann hätt‘ ich ihm vielleicht diesen absoluten Scheißdreck ausreden können."

Der jüngste öffentliche Auftritt der österreichischen Identitären in Österreich fand am vergangenen Donnerstag am Rande der regierungskritischen Donnerstagsdemo in Wien statt. Während der Schlusskundgebung im dritten Bezirk entzündeten Identitäre – gut sichtbar für die regierungskritischen Demonstranten – bengalische Feuer und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Der große Austausch" – eine Anspielung auf die rechtsextreme Verschwörungstheorie, wonach die Bevölkerung Europas durch Zuwanderer, vor allem Flüchtlinge, ausgetauscht werden solle.

Laut einem Sprecher der Polizei Wien handelte es sich bei der Aktion "nicht um eine angemeldete Versammlung, sondern um Aktionismus. Sie sind dann davongelaufen und haben sich in Richtung Innenstadt abgesetzt und zerstreut. Wir sind ihnen nachgelaufen, aber haben sie nicht mehr erwischt", so der Sprecher. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe sich der Sache bereits angenommen.

Wie vergangene Woche bekannt wurde, hielt sich der mutmaßliche Täter von Christchurch, ein 28-jähriger Australier, vor dem Anschlag auch in Österreich auf. Die BVT-Untersuchungen laufen noch, das genaue Datum des Österreich-Aufenthalts wurde zunächst nicht bestätigt. Laut Medienberichten reiste der Rechtsextremist am 26. November 2018 nach Wien, soll sich aber auch in Kärnten, Salzburg und Innsbruck aufgehalten haben.

Kurz fordert volle Aufklärung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte am Dienstag volle Aufklärung über die Verbindungen zum Christchurch-Attentäter. Die Justiz müsse gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden "diese Netzwerke ausheben". "Jede Verbindung zwischen dem Attentäter von Christchurch zu Mitgliedern der Identitären in Österreich muss restlos und schonungslos aufgeklärt werden."

Er habe diesbezüglich bereits mit Justizminister Josef Moser (ÖVP) gesprochen: "Es ist wichtig, dass die unabhängige Justiz mit allen nötigen Mitteln und Ressourcen ihre Ermittlungen gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden durchführen und diese Netzwerke ausheben kann."

Strache benennt Identitäre nicht explizit

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprach sich für lückenlose Aufklärung aus. "Es wird gegen jeden Extremismusverdacht vorgegangen, egal ob von rechts, links oder religiös motiviert. Fanatismus hat bin unserer Gesellschaft keinen Platz", sagte Strache – ohne die Identitären allerdings explizit zu erwähnen. "Alle österreichischen Verbindungen zum Attentäter von Christchurch müssen lückenlos aufgeklärt werden. Unter dieser Regierung funktioniert der Rechtsstaat", erklärte Strache in einem auch auf Twitter verbreiteten Statement.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried kritisierte bei einer Pressekonferenz, dass die Regierung dem Rechtsextremismus kaum Beachtung schenke. Seit Herbert Kickl (FPÖ) Innenminister sei, sei der "Geheimdienst" de facto handlungsunfähig gemacht worden. "Wir haben in Österreich definitiv ein Problem mit Rechtsextremismus", sagte Leichtfried. "Dieses Land muss diese Gefahr ernst nehmen." Man habe deshalb den Geheimdienst-Unterausschuss zum Innenausschuss für Freitag einberufen lassen, zudem gemeinsam mit der Liste Jetzt eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats verlangt. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.

Neos fordern Kickl-Erklärung

"Das Attentat zeigt, wie gefährlich diese Zirkel sind, die rechtsextremes Gedankengut verbreiten", befand der stellvertretende Neos-Klubchef Nikolaus Scherak. Er forderte ebenfalls umfassende Aufklärung über die offensichtlichen Verbindungen der österreichischen Identitären zum Christchurch-Attentäter. Scherak hofft diesbezüglich auf die Erklärung von Innenminister Kickl am Donnerstag im Nationalrat – ebenso wie Jetzt-Klubchef Bruno Rossmann. (APA, cms, red, 26.3.2019)