Um wirklich in die Quantenphysik eintauchen zu können, braucht es eine gute Portion Mathematik. Doch einige ihrer Grundprinzipien lassen sich auch ohne Formeln erfassen. Vorhang auf für sechs Lektionen der Quantenphysik!

1. Eine schizophrene Persönlichkeit

Was ist eigentlich Licht? Diese Frage hat die Physiker jahrhundertelang gespalten. Auf der einen Seite standen jene, die Licht als Welle ansahen und damit Phänomene wie die Beugung von Licht an einer Kante elegant erklären konnten. Andere wiederum vertraten die Theorie, dass Licht aus Teilchen besteht. Auch sie stützten sich auf optische Phänomene – so lässt sich etwa die Reflexion ganz vorzüglich mit dem Teilchenmodell erklären.

Es brauchte einen Physiker vom Format eines Albert Einstein, um den Streit zu schlichten. In einer bahnbrechenden Arbeit stellte er im Jahr 1905 fest: Licht ist Teilchen und Welle zugleich. Wenig später erkannte der französische Physiker Louis de Broglie, dass nicht nur Licht eine schizophrene Persönlichkeit besitzt. Der sogenannte Welle-Teilchen-Dualismus gilt auch für Materie.

In unserer Alltagswelt bleibt der Wellencharakter von Materie verborgen, doch Quantenphysiker stellen ständig Rekorde darin auf, die Welleneigenschaften immer größerer Objekte nachzuweisen.

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2. Tot und lebendig zugleich

Wellen besitzen die Eigenschaft, dass sie einander überlagern können. Wenn sich zum Beispiel zwei Motorboote auf der Donau begegnen, ergeben ihre Wellen gemeinsam womöglich noch größere Wellen. Oder sie schwächen sich gegenseitig ab. Im Fachjargon wird das Superposition genannt.

Doch können auch Objekte einen Superpositionszustand einnehmen? Ein prominentes Beispiel dafür ist Schrödingers Katze. Dieses wenig tierliebe Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger lautet folgendermaßen: Eine Katze wird in eine Kiste mit einem Fläschchen Blausäure gesperrt. Ein kleiner Hammer, der durch den Zerfall einer radioaktiven Substanz betätigt wird, kann das Fläschchen zerschlagen und damit die Katze vergiften. Solange die Kiste geschlossen bleibt, weiß man nicht, ob die Katze tot ist oder lebt – sie befindet sich in einer Superposition.

In der Alltagswelt muten die Prinzipien der Quantenphysik recht absurd an, und doch hat sich gezeigt: Die Welt ist wirklich so verrückt.

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3. Völlig unverständlich

Wenn Teilchen also Welleneigenschaften besitzen, sollte es dann nicht auch möglich sein, sie mathematisch wie Wellen zu beschreiben? Mit dieser Frage im Hinterkopf hat sich der österreichische Physiker Erwin Schrödinger 1926 in seinen Winterurlaub in die Schweizer Alpen begeben. Als er wieder abreiste, hielt er die Zutaten jener Gleichung in Händen, die bis heute als grundlegendste Formel der Quantenphysik gilt – die Schrödinger-Gleichung. Ihr Herzstück ist die sogenannte Wellenfunktion, besser bekannt unter dem griechischen Buchstaben Psi.

Jedem Objekt kann eine Wellenfunktion zugeschrieben werden, sie kann allerdings nicht direkt beobachtet werden. Es stellt sich daher die Frage, ob die Wellenfunktion eine reale Größe oder bloß mathematisches Hilfswerk ist. Da die Physiker bis heute nicht wissen, wie die wichtigste Größe der Quantenphysik zu interpretieren ist, gehen manche so weit zu sagen, dass es niemanden gibt, der die Quantenphysik wirklich versteht.

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4. Spukhafte Verbindungen

Der Stoff, aus dem die Quantencomputerträume sind, heißt Verschränkung. Mathematisch betrachtet können verschränkte Teilchen nur mit einer gemeinsamen Wellenfunktion beschrieben werden. Anschaulich gesprochen sind verschränkte Teilchen auf gewisse Weise verbunden. Lichtteilchen können beispielsweise in Bezug auf ihre Polarisation verschränkt sein: Wenn eines der Lichtteilchen horizontal polarisiert ist, hat das andere eine vertikale Schwingrichtung. Albert Einstein gefiel dieses Prinzip der Quantenphysik gar nicht, abschätzig sprach er von "spukhafter Fernwirkung".

Die Verschränkung kann über weite Distanzen aufrechterhalten werden. Dabei gilt stets: Ändert ein Teilchen seinen Zustand, so tut dies im selben Moment auch das verschränkte Partnerteilchen.

Wie der irische Physiker John Bell in den 1960er-Jahren zeigte, kann die Verschränkung auch experimentell nutzbar gemacht werden. Sie ist die Grundzutat für Anwendungen wie Quantencomputer oder Quantenkryptografie.

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5. Nicht scharf zu kriegen

Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Quanten- und klassischer Physik betrifft den Messprozess. In der klassischen Vorstellung wird bei der Messung bloß ein Zustand festgestellt, der zuvor schon vorhanden war. Das trifft sich mit unserer Alltagserfahrung: Wenn wir den Zustand beispielsweise der Außentemperatur feststellen wollen, dann messen wir sie.

In der Quantenphysik verhält sich die Sache grundlegend anders: Die Theorie geht davon aus, dass der Zustand eines Systems erst durch das Messen erzeugt wird. Was genau beim Messprozess passiert, ist immer noch ungeklärt.

Messungen in der Quantenphysik ist zudem eigen, dass bestimmte Größen nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden können. Die 1927 von Werner Heisenberg entdeckte Unschärferelation gilt etwa für den Aufenthaltsort eines Teilchens und seinen Impuls. Es ist daher nicht möglich, Ort und Geschwindigkeit (die vom Impuls abhängt) gleichzeitig exakt zu bestimmen.

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6. Der reinste Zufall

Obwohl Albert Einstein an der Entwicklung der Quantenphysik nicht unwesentlich beteiligt war, hat er zeitlebens mit ihr gehadert. Das hat damit zu tun, dass die Theorie nur statistische Aussagen ermöglicht: Sie gibt nur Wahrscheinlichkeiten dafür an, wie sich ein System verhalten wird. Letztlich entscheidet aber der Zufall.

Das Fehlen definitiver Vorhersagen hat Einstein grob missfallen, was ihn auch zu seiner legendär gewordenen Aussage brachte: "Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt."

Mit dem Alten ist freilich Gott gemeint und ob der nun würfelt oder nicht, sprich ob tatsächlich der Zufall am Werk ist oder ob wir bloß nicht genügend Informationen haben, hat die Physiker jahrzehntelang beschäftigt. Schließlich wurde die Debatte durch John Bell geschlichtet, der ein Experiment vorschlug, durch das sich nachweisen ließ: Der Zufall regiert wirklich. (Tanja Traxler, 27.3.2019)

Links:

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