Deutschland leidet unter einem massiven Mangel an Spenderorganen. Das kostet Schwerstkranken das Leben. Deutsche Chirurgen fordern nun eine Widerspruchslösung betreffend Organspende, wie sie in Österreich oder Spanien seit vielen Jahren gilt: Hirntoten dürfen prinzipiell Organe entnommen werden, außer sie haben sich im Widerspruchsregister vermerkt oder haben eine entsprechende Erklärung bei sich.

"Wir deutschen Herzchirurgen sprechen uns explizit für die Widerspruchslösung aus, wie sie bereits in Österreich, Spanien, Holland – und bald auch in Großbritannien praktiziert wird", sagt Jan Gummert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Diese Forderung vertritt auch Matthias Anthuber, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: "Es ist zumutbar, sich einmal im Leben mit der Frage nach dem eigenen Ableben auseinanderzusetzen und sich zu positionieren."

In Deutschland leben 1,8 Millionen Menschen mit einer Herzschwäche, einer chronischen Herzinsuffizienz. Davon warten gegenwärtig 700 schwer herzinsuffiziente Patienten auf ein Spenderherz. Viele überbrücken die Zeit mit einem Herzunterstützungssystem. Obwohl die Transplantationszahlen im vergangenen Jahr wieder leicht gestiegen sind, betrachten die deutschen Herzchirurgen den Organmangel mit Sorge. "Schreitet die Herzinsuffizienz voran und ist sie medikamentös nicht mehr ausreichend behandelbar, ist die Herztransplantation weiterhin Goldstandard für die meisten Patienten", erklärt Gummert.

Strenge Voraussetzungen

Laut den Eurotransplant-Zahlen von 2017 gab es in Österreich 23,5 Organspender pro Million Einwohner. In Belgien waren es 30,7, in Kroatien 31,8 je Million Menschen. In Deutschland betrug dieser rechnerische Wert nur 9,3 pro Million Einwohner. Die Ursache dafür wird seit vielen Jahren von den deutschen Ärzten beklagt: Eine Organspende ist in Deutschland nur unter streng geregelten Voraussetzungen möglich.

Wichtige Bedingung ist, dass die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organ- und Gewebespende zugestimmt hat – beispielsweise auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung. Liegt keine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende vor, werden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person gefragt. Dementsprechend niedrig sind die Transplantationsraten: In Österreich wurden 2017 laut Eurotransplant mit acht Mitgliedsstaaten 192 Nieren von Verstorbenen verpflanzt. Im zehnmal größeren Deutschland waren es nur 700, bei den Herztransplantationen gab es in Österreich 69 derartiger Eingriffe, in Deutschland 250.

"Kunstherzen" können die Problematik jedenfalls nicht lösen. Aus Mangel an Spenderherzen werden sie aber in Deutschland immer häufiger eingesetzt. "Diese Herzunterstützungssysteme sind bei akut oder chronisch herzinsuffizienten Patienten die einzige Möglichkeit, das Überleben kurz-, mittel- und vor allem auch längerfristig zu ermöglichen", erläutert Gummer.

Komplikationen erhöht

Insbesondere haben sogenannte linksventrikuläre Unterstützungssysteme (LVAD), welche die Pumpfunktion der linken Herzkammer unterstützen, in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. "Dies liegt vor allem auch an dem Mangel an Spenderorganen", betont der Spezialist. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 903 LVADs implantiert. Mit diesem System leben nach zwei Jahren, je nach Risikoprofil und Alter, etwa 60 bis 80 Prozent der Patienten. Weil die damit versorgten Patienten aber auf der Spenderorgan-Warteliste zurückgereiht werden, haben sie später nur noch eine einprozentige Chance auf ein Spenderherz pro Jahr. Das erhöht bei Komplikationen das Sterberisiko noch mehr.

"Für das komplexe menschliche Herz gibt es nach heutigem technischem Entwicklungsstand noch keinen adäquaten Ersatz", resümiert Gummert. Das zeigten auch die Zahlen: Zehn Jahre nach einer Herztransplantation leben – statistisch gesehen – immerhin noch rund 60 Prozent der Patienten, wie die Daten der Internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungentransplantation ISHLT ausweisen. "Nach erfolgreicher Transplantation erreichen herztransplantierte Patienten unter lebenslanger Einnahme abwehrunterdrückender Medikamente zumeist eine gute bis sehr gute Lebensqualität", berichtete Gummert. (APA, 27.3.2019)