Bild nicht mehr verfügbar.

Auf einer Nachbarinsel von Milaidhoo entsteht Nautilus, eines der ambitioniertesten Hotelprojekte im Indischen Ozean.

Foto: Getty Images / Mlenny

Meer oder Pool? Auf Milaidhoo schwer zu sagen.

Foto: Stephan Hilpold

Der Blick schweift über den Infinity-Pool raus aufs Meer.

Foto: Stephan Hilpold

Das Mobiltelefon liegt prominent neben den Fernbedienungen. "Drücken Sie die Eins, dann haben Sie mich am Apparat", hat Riho Nakano am ersten Tag gesagt. Mit einem Golfwagen bringt sie die neuen Gäste von der Bootsanlegestelle zur Überwasservilla. Check-in? Wird nebenbei erledigt. Fragen? "Die beantworte alle ich", sagt die 25-jährige Japanerin.

Nakano kommt aus Osaka und lebt seit gerade einmal einem Jahr auf den Malediven. Seit einem Monat ist sie Butlerin auf Milaidhoo, einem winzigen Eiland im Baa-Atoll, eine Dreiviertelstunde per Wasserflugzeug nördlich der Hauptstadt Malé. Für fünf Villen ist die Frau aus Osaka zuständig, rund um die Uhr. Man möchte um vier Uhr früh einen Spa-Termin vereinbaren? Man drücke einfach die Eins. Oder sich für die Schnorcheltour am nächsten Nachmittag anmelden? Nakanos Telefon liegt bereit.

Nur mit dem Butler sprechen

Die Taste Eins ist auf der maledivischen Luxusinsel genauso Infokanal wie Türöffner, Reservierungshotline und Mädchen für alles. Drückt man sie nicht selbst, dann läutet mit Sicherheit irgendwann das Telefon. "Möchten Sie nicht zum Abendessen kommen?", fragt Nakano. "Wir können Ihnen auch etwas in die Villa bringen." Wenn man nicht will, muss man während seines gesamten Aufenthalts mit niemandem außer seinem Butler sprechen.

Milaidhoo ist so etwas wie der feuchte Traum von Luxustouristen. Umgeben von einem fantastischen Hausriff mit einer intakten Unterwasserpopulation gibt es auf der von pudrigem, schneeweißem Sand gesäumten Insel gerade einmal 50 Villen. Jede davon zwischen 245 und 490 Quadratmeter groß und mit einem Infinity-Pool ausgestattet. So postkartenmäßig schön die Insel ist, so wenig Gründe gibt es, die Villa zu verlassen. Die Preise: jenseits von Gut und Böse. Oder, profaner gesagt: Ab 1.500 Euro die Nacht ist man dabei.

Noch größer, noch mehr

Auf den Malediven sticht Milaidhoo damit nicht wirklich heraus. Zwar gibt es auch viele günstigere Resorts, nach oben hin verschieben sich die Preisgrenzen aber immer weiter. Aus der Luxusdestination Malediven wird zusehends eine Ultra-Luxus-Destination. Mit vielem, wovon man gar nicht wusste, dass man es brauchen könnte. Gab es vor sieben Jahren 105 Hotels auf der Insel, waren es 2017 bereits 135. Wobei die Mehrzahl der neu hinzugekommenen Resorts im absoluten Luxusbereich angesiedelt ist.

Anderntags auf einer Nachbarinsel von Milaidhoo, mit dem Speedboot gerade einmal zehn Minuten entfernt. Hier entsteht Nautilus, eines der ambitioniertesten Hotelprojekte im Indischen Ozean. Mit weniger, aber größeren Villen, noch mehr Personal und einem Spa, das so groß ist wie andernorts ganze Hotels. Jetzt, Anfang Jänner und vier Wochen vor der Eröffnung, ist noch nicht alles fertig. An den Villen wird noch gearbeitet, überall wuseln Gärtner herum, der Souschef grübelt über den Speisekarten in einem der drei Restaurants.

Rasante Entwicklung

Alles, komplett alles muss in das neue Resort gebracht werden. Bestenfalls aus dem 130 Kilometer entfernten Malé, im Normalfall aber aus Übersee. Das erfordert neben einer prall gefüllten Portokasse eine gut funktionierende Logistik. Viele Bauprojekte in diesem sensiblen Ökosystem versiegen auf halbem Weg. "Auf den Malediven ein neues Resort zu bauen bedeutet, an Sachen zu denken, die einem andernorts nicht einmal in den Sinn kämen", sagt Ahmed Shuhan, der seit der Eröffnung vor drei Jahren Milaidhoo als Direktor führt. Von der Meerwasseraufbereitung bis hin zu den französischen Weinen, die in dem muslimischen Land nur schwer zu bekommen sind.

Ausländer hätten davon oft keinen blassen Schimmer. Shuhan (33) ist selbst Malediver, bevor er Milaidhoo übernahm, arbeitete er im Schwesterresort Baros im Nord-Malé-Atoll. Auch dies ein Luxusresort, aber keines in der obersten Kategorie. Der absolute High-End-Tourismus begann auf der über tausend Eilande umfassenden Inselgruppe vor gerade einmal 20 Jahren. Ratternde Dieselmotoren, Probleme mit der Trinkwasserversorgung und eintönige Restaurantbuffets waren bis dahin eher der Normalfall.

Erwähnt man die rasante touristische Entwicklung, huscht ein Lächeln über Shuhans Lippen. "Unsere Gäste wollen keine Abstriche machen – nur weil wir hier inmitten des Indischen Ozeans sind." Viele der Luxushotelketten – von Waldorf Astoria bis zu Park Hyatt – betreiben auf den Malediven Resorts, individuelle Projekte gibt es dagegen überraschend wenige. Milaidhoo und voraussichtlich Nautilus sind zwei davon.

Erstes Malediven-Restaurant

"Bei allem Luxus geht es immer um Authentizität", umschreibt Shuhan die Philosophie, die hinter den beiden Resorts im Baa-Atoll steckt. Dazu gehören einheimische Baumaterialien, der Verzicht auf laute Wassersportaktivitäten, überproportional viele einheimische Arbeitskräfte oder das Restaurant Ba'thely, das in der Lagune vor der Insel liegt. Das Restaurant ist in Form dreier traditioneller maledivischer Dhoni-Boote gebaut und ist das einzige rein maledivische Restaurant in einem der Resorts auf der Inselgruppe. Hier wird auf höchstem Niveau das neu interpretiert, was auf den Malediven traditionell in den Kochtöpfen landet. Viel Fisch, viel Kokosnussmilch, viele Gewürze, die Seefahrer auf die Insel gebracht haben.

Ob deswegen Urlauber extra auf die Malediven kommen? Natürlich nicht, gibt Shuhan unumwunden zu. Aber es ist ein weiterer Aspekt, wie man sich von den immer zahlreicher werdenden Mitbewerbern im High-End-Bereich abheben kann. Luxus bedeutet hier neben Ruhe und kompletter Ungezwungenheit ein Leben in der Möglichkeitsform. Drücken Sie die Eins und fragen Sie Nakano. (Stephan Hilpold, RONDO, 29.3.2019)

Weiterlesen:

Luxustourismus in Kambodscha: Paläste statt Hütten