Verkauft die Westbahn ihre 17 Elektrotriebzüge an die ÖBB, kann bei der Staatsbahn das Umfärben beginnen. Die blauen Züge werden dann rot.

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Die Westbahn bringt sich bei ihrem Umstieg auf chinesisches Zugmaterial gehörig unter Zugzwang. Bis zum Wechsel auf den Winterfahrplan im Dezember sind es nicht einmal neun Monate – eine überaus knappe Zeitspanne, in der nicht weniger als die Zulassung eines neuen Hochgeschwindigkeitszugs des chinesischen Herstellers CRRC bewerkstelligt werden muss. In der Zugausrüsterbranche hält man das für eine Herausforderung, wenngleich es bahntechnische Auskenner dennoch für machbar halten, die Chinesen seien hochprofessionell unterwegs.

Bei Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen sieht das Eisenbahngesetz vor, dass eine Zulassung binnen vier Monaten zu erfolgen hat, ab Mitte Juni 2020 ist für grenzüberschreitende Zulassungen (für mehrere EU- oder EWR-Länder sowie die Schweiz) die Europäische Eisenbahnbehörde ERA zuständig), heißt es im Verkehrsministerium. Dass CRRC die Züge in einem anderen EU-Mitgliedsstaat testet, scheint unwahrscheinlich.

Ehrgeiziger Fahrplan

Wie auch immer der ehrgeizige Fahrplan für den Fahrzeugwechsel im Detail aussieht: Mit Zügen von CRRC wäre die vom Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner dominierte Westbahn Management GmbH der erste Zugbetreiber in der Europäischen Union mit Rollmaterial aus dem Reich der Mitte. Bis dato gibt es noch kein europäisches Unternehmen, das einen chinesischen Zug gekauft hat – nicht einmal die mächtige Deutsche Bahn (DB), der ein massiver Bedarf an neuwertigem Wagenmaterial vorauseilt, hat eine Vergabe gegen ihren Haus- und Hoflieferanten Siemens gewagt. Wobei das von Siemens angeführte und mit Bombardier-Zügen durchsetzte Duopol bereits Risse hat. Denn im Februar bestellte DB beim spanischen Hersteller Talgo die ersten 23 von insgesamt hundert Eurocity-Zügen, die ab 2023 zwischen Berlin und Amsterdam sowie Hamburg und Oberstdorf verkehren werden.

Maßstäbe setzt die Westbahn mit ihrem Anbieterwechsel von der schweizerischen Stadler Rail zu CRRC in jedem Fall. Zudem wird die Rochade beim ersten echten privaten Bahnbetreiber in Österreich auf der Kostenseite für Entlastung sorgen, denn die seit 2010 ausgelieferte doppelstöckige "Kiss"-Flotte aus 17 Elektrotriebzügen (die letzten zehn Stück wurden 2017 gekauft) steht mit 230 Millionen Euro in den Büchern, die Bankverbindlichkeiten betragen rund 200 Millionen Euro (zuzüglich rund vier Millionen Euro an Zinsen). Bringt CRRC das neue Rollmaterial als Sacheinlage in die Westbahn-Mutter Rail-Holding-Gruppe ein und erhält dafür Miete, sind die Anschaffungskosten kein Problem mehr.

Ausgemachte Sache

Der Verkauf der alten Züge an die ÖBB – die Staatsbahn hat just am Montag, den 25. März die öffentliche Ausschreibung für den Ankauf von 17 gebrauchten Elektrotriebzügen veröffentlicht – gilt auch in ÖBB-Eigentümerkreisen als ausgemachte Sache. Auch dieser – dem Vernehmen nach politisch akkordierte – Deal ist denkbar knapp kalkuliert, die Abgabefrist für Anbieter endet laut Ausschreibung bereits am 4. April.

Mit ihrem Interesse an den Westbahnzügen dürfte die ÖBB übrigens nicht allein sein: Auch der Deutschen Bahn wird reges Interesse an den weiß-blau-grün bemalten Kiss-Zügen nachgesagt. Bei der DB ist eine mit der ÖBB bestens vertraute Managerin an Bord: Evelyn Palla, bis vor wenigen Monaten Finanzchefin der ÖBB-Personenverkehr AG. DB hat sich für Zugbeschaffung rund 300 Millionen Euro genehmigen lassen.

Öffnung Schienenmarkt verschleppt

Mit oder ohne Fuhrpark aus China: Bei der Öffnung des Schienenmarkts im Personenverkehr geht seit dem Start der Westbahn 2011 nichts weiter. Auf Streckenkonzessionen für die Südbahn warten Bahnfahrer ebenso ergeblich wie auf privaten Zugverkehr zwischen Salzburg und Innsbruck. Denn wie seine roten Vorgänger steht auch Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) auf der Bremse. So bleibt der ÖBB das lukrative Geschäft mit den Bestellungen der öffentlichen Hand für den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr vorbehalten. Dieses umfasst auch Schnellzüge von Wien nach Graz und Klagenfurt oder eben von Salzburg bis Bregenz.

Einzige Ausnahme sind grenzüberschreitende Verbindungen, die kann selbst die österreichische Politik nicht verhindern, wie Regiojet zwischen Prag und Wien vorführt (und nicht, wie irrtümlich berichtet nach Graz) oder die Tschechische Staatsbahn CD in Kooperation mit der ÖBB. (Luise Ungerboeck, 27.3.2019)