Vertreter der Muscheln (Bivalven) haben während der vergangenen 66 Millionen Jahre mehrere Klimaveränderungen erlebt. Viele von ihnen starben dabei aus.

Foto: Senckenberg

Muscheln scheinen gegenüber den Folgen durch globale Klima- ud Temperaturveränderungen besonders empfindlich zu reagieren. Eine aktuelle Untersuchung, die weit in die Erdgeschichte zurück blickt, hat gezeigt, dass diese schalentragenden Mollusken in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig während Perioden ausstarben, in denen sich das Klima sehr schnell verändert hat. Für die heute lebenden Muschelarten rund um den Erdball sind dies keine guten Nachrichten.

Muscheln bevölkern seit bis zu 500 Millionen Jahren die Weltmeere und haben im Zuge dessen schon verschiedene Klimaveränderungen überdauert. Dabei hatten die meisten ihrer Vertreter jedoch ein beachtliches Handicap: Sie sind nur begrenzt mobil. Wenn sich ihre Umgebung zu ihren Ungunsten veränderte, starben die Individuen daher meist an Ort und Stelle aus.

"Schlecht für die Muschel, gut für die Wissenschaft, denn es gibt relativ viele Muschelfossilien, anhand derer man untersuchen kann, wie das Aussterben von Wirbellosen im Meer und der Klimawandel zusammenhängen", sagt Shan Huang, Wissenschafterin am Frankfurter Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Rückblick auf die letzten 66 Millionen Jahre

Gemeinsam mit Kollegen der University of Chicago und der University of California, San Diego, wertete Huang Daten von rund 1.500 Muschelgattungen aus. Alle untersuchten Gattungen haben während des Känozoikums (vor 66 Millionen Jahren bis heute) Meerestiefen bis 200 Meter besiedelt oder besiedeln sie heute noch. Die Forscher analysierte, wann und wie viele der Muschelgattungen ausstarben, und setzte dies in Beziehung mit der damaligen Meerestemperatur sowie der Geschwindigkeit der Temperaturänderung auf verschiedenen Zeitskalen.

Die Auswertung zeigt, dass das Aussterben von Muschelgattungen überwiegend davon abhing, wie schnell sich das Klima veränderte. "Wir haben zwei Muster entdeckt. Wenn sich die Temperatur innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei Millionen Jahren besonders schnell änderte – egal ob sie vergleichsweise stark stieg oder sank – verschwanden gleichzeitig mehr Muschelgattungen. Zweitens spielten Langzeiteffekte eine Rolle: Mehr Muschelgattungen starben aus, wenn sich die Meerestemperatur von einem solchem Zeitraum bis zum nächsten Zwei-Millionen-Jahre-Zeitraum stark veränderte", erklärt Huang.

Hohe Breitengrade besonders betroffen

Detailierte Analysen zeigten zudem, dass sich der Klimawandel in verschiedenen von Muscheln besiedelten Regionen unterschiedlich auswirkte. Die Klimaveränderungen während der letzten 66 Millionen Jahre führten dazu, dass überproportional viele Muscheln in den hohen Breitengraden ausstarben. Die Effekte sind heute noch spürbar, denn die Anzahl der Muschelarten und vieler anderer Arten ist in hohen Breitengraden sehr viel geringer als in den Tropen.

Aus der Vergangenheit lässt sich daher schließen, dass der Verlust biologischer Vielfalt höher ist, wenn sich die Temperatur schneller verändert. Das höchste Aussterberisiko haben laut der im Fachjournal "Integrative and Comparative Biology" veröffentlichten Studie Gattungen, die in hohen Breitengraden leben. Aber dieser vorausschauende Rückblick in die Vergangenheit hat auch einen entschiedenen Nachteil: Den heutigen Zustand der Ozeane, den der Mensch unter anderem durch Verschmutzung und Überfischung entscheidend beeinflusst hat, hat es in der Vergangenheit bislang noch nie gegeben.

Andere Kräfte im Spiel

"Außerdem ist die Zu- und Abnahme von Muschelgattungen im Känozoikum nicht vollständig mit Klimaveränderungen erklärbar. Es müssen noch andere Kräfte eine Rolle gespielt haben. Um besser vorhersagen zu können, wie sich die globale Erwärmung auf Muscheln und andere wenig bis kaum mobile marine Arten auswirkt, ist es deshalb wichtig, detaillierte vergleichende paläontologische Forschung zu diesem Thema zu betreiben", so Huang. (red, 1.4.2019)